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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam
Autoren: Laura Hillenbrand
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Hickam Field, und wenn es regnete, drang Wasser in einige Räume ein. Die ganze Insel befand sich in einem beständigen Alarmzustand; die Tarnmaßnahmen waren so umfassend, dass ein Bodensoldat in sein Tagebuch schrieb: »Man sieht von dem, was es hier in Wirklichkeit gibt, nur ungefähr ein Drittel.« 2 Die Nächte ließen die Insel vollständig verschwinden: Die Fenster hatten lichtundurchlässige Vorhänge, die Autos fuhren mit abgedeckten Scheinwerfern, und Verdunkelungswarte achteten darauf, dass wirklich jeder die strengen Vorschriften einhielt – es war sogar verboten, im Freien ein Streichholz anzuzünden. Die Soldaten hatten ständig Gasmasken in Hüfttaschen bei sich zu führen. Um zu ihren heißgeliebten Wellen zu kommen, mussten die Surfer der Insel sich unter dem Stacheldraht hindurchschlängeln, der über die gesamte Länge des Strandes von Waikiki gespannt war.
    Das 372. Geschwader wurde nach Kahuku an der Nordseite der Insel geschickt, zu einem Stützpunkt an der Küste am Fuß einer Bergkette. Louie und Phil, die bald zu Ersten Leutnants befördert werden sollten, wurden in einer Kaserne mit Mitchell, Moznette, zwölf anderen jungen Offizieren und Myriaden von Moskitos einquartiert. 3 »Du bringst einen Moskito um«, schrieb Phil, »und es kommen zehn zur Beerdigung.« 4 Von außen machte das Gebäude einen recht malerischen Eindruck; von innen sah es nach Phils Beschreibung aus, »als hätte ein Dutzend dreckige Missouri-Schweine sich darin ausgetobt«. 5 Die ständigen Saufgelage machten die Sache nicht besser. Nach einem ausgedehnten Kampf gegen eindringendes Wasser, der von allen 16 Offizieren bis um 4 Uhr morgens vollen Einsatz forderte, wachte Phil am nächsten Tag mit Schürfwunden an Ellbogen und Knien auf. 6 An einem anderen Abend, als Louie und Phil sich wegen einem Bier in die Haare geraten |85| waren, donnerten sie in die dünne Trennwand, die ihre Stube von der nächsten trennte. 7 Die Trennwand brach zusammen, aber Phil und Louie ließen sich dadurch nicht aufhalten; sie hörten erst auf, nachdem noch zwei weitere Wände zu Bruch gegangen waren. Als Colonel William Matheny, der Kommandant der 307. Bombergruppe, die Bescherung sah, brummte er, hier müsse wohl Zamperini am Werk gewesen sein.
    Louie, fertig für den ›Ausflug‹ in große Höhen.
    Einen Vorteil hatte das Kasernenleben. Die Wände des Waschraums waren gepflastert mit Pin-up-Girls – eine Sixtina der Pornographie. Phil war fassungslos, als er das sah; er konnte nur staunen über das Konzentrat von frustrierter Flieger-Libido, die so etwas hervorbringen konnte. In diesem Pornographiepalast war er tatsächlich Welten entfernt vom Pfarrhaus seines Vaters in Indiana. 8
    Alle Männer lechzten danach, auf den Feind loszugehen, aber weit und breit war kein Kampfanlass in Sicht. Stattdessen standen endlose Unterrichts- und Trainingsstunden auf dem Programm. Als Moznette zu einer anderen Crew versetzt wurde, mussten sich die Männer an eine ganze Reihe Kopiloten gewöhnen, die nur für kurze Zeit bei ihnen waren. Irgendwann stieß Charleton Hugh Cuppernell als Ersatz für Moznette zur Truppe; er stammte aus Long Beach, Kalifornien, ein cleverer, fröhlicher ehemaliger Footballspieler, der gerade sein Jurastudium begonnen hatte; er war muskulös wie ein Ochse und kam mit jedem gut klar; ständig kaute er auf einer Zigarre herum und war nie um einen Witz verlegen.
    Als die Männer sich zum ersten Mal in den Luftraum über Hawaii begaben, stellten sie überrascht fest, dass die Ausrüstung mit arktistauglicher Bekleidung kein Irrtum gewesen war. In gut 3000 Metern Höhe konnte es auch in den Tropen eiskalt werden, und gelegentlich froren die Scheiben der Bugkanzel zu, wo der Bombenschütze saß. 9 Nur das Cockpit oben auf der |86| Vorderseite des Flugzeugs war beheizt, die Männer weiter hinten im Flugzeug schützten sich mit Felljacken, gefütterten Stiefeln und manchmal sogar mit elektrisch beheizten Anzügen gegen die Kälte. Das Bodenpersonal benutzte die Bomber als fliegende Kühlschränke, man versteckte Sodaflaschen darin und holte sie sich nach den Einsätzen eisgekühlt wieder heraus.
    Die meiste Zeit machten die Männer ihre Übungsflüge über Kauai, und augenscheinlich verbesserten sie sich rasant. Obwohl es bei den Schießübungen in der Luft einige wenige Patzer gab – beispielsweise, als Phil
Super Man
frontal auf einen Telefonmasten steuerte –, 10 erreichten sie doch eine Trefferquote, die den Durchschnitt des
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