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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam
Autoren: Laura Hillenbrand
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Weihnachten hin. Noch in derselben Nacht sollten sie Wake bombardieren. Die ganze Unternehmung war Non-Stop auf 16 Stunden veranschlagt, die längste Flieger-Angriffsaktion des Krieges bislang. Die B-24-Maschinen musste das an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit bringen. Selbst mit zusätzlichen Reservetanks war es ein extrem knapp kalkulierter Einsatz.
    Um 4 Uhr nachmittags am 23. Dezember 1942 erhoben sich 26 B-24-Bomber, beladen mit 275   000 Litern Benzin und 35 Tonnen Bombenlast, von Midway aus in die Luft.
Super Man
ordnete sich am Ende der Gruppe ein. Den gesamten Nachmittag und Abend lang hielten die Flugzeuge Kurs in Richtung Wake. Die Sonne ging unter, und die Bomber tauchten in das fahle Licht von Mond und Sternen ein.
    Um 11 Uhr nachts, es waren noch knapp 250 Kilometer bis Wake, schaltete Phil die Scheinwerfer aus. Wolken zogen auf. Die Bomber sollten das Atoll eigentlich als Formation anfliegen, doch wegen der Wolken und der abgeschalteten Scheinwerfer konnten die Piloten die in ihrer Nähe fliegenden Maschinen nicht sehen. Sie konnten es auch nicht riskieren, sich per |91| Funk zu verständigen, daher flog jeder seinen eigenen Kurs. Die Piloten verrenkten sich den Hals, um in der völligen Dunkelheit mehr zu sehen und den undeutlichen Schatten der anderen auszuweichen, damit es nicht zu einem Zusammenstoß kam. Wake war nun gar nicht mehr weit entfernt, doch erkennen konnten sie noch nichts. Im Geschützturm von
Super Man
dachte Stanley Pillsbury darüber nach, ob er diesen Einsatz wohl überleben werde. In der Bugkanzel unter ihm verspürte Louie ein innerliches Prickeln, dasselbe Gefühl, das er früher immer vor Wettkämpfen hatte. Vor ihnen lag das schlafende Wake.
     
    Genau um Mitternacht durchbrach die Stimme von Colonel Matheny, dem Piloten des Führungsflugzeugs
Dumbo der Rächer
, die Funkstille.
    »Jungs, jetzt ist es so weit.«
    Matheny zog Dumbos Nase herunter, und der Bomber tauchte aus den Wolken heraus. Da unter ihm lag Wake, drei schmale, um eine Lagune herum gruppierte Inseln. Als sein Kopilot die Geschwindigkeits- und Höhenwerte ausrief, hielt Matheny mit seinem Flugzeug auf eine Reihe von Gebäuden am Peacock Point zu, der Südspitze des Atolls. Zu beiden Seiten folgten ihm weitere B-24-Maschinen. Als Matheny seine Bombenabwurfhöhe erreicht hatte, zog er den Bug der Maschine wieder nach oben und brüllte in Richtung seines Bombenschützen:
    »Und wann willst du die Bomben loslassen?«
    »Erledigt, Sir!«
    Im selben Moment explodierten die Gebäude am Peacock Point. Es war 45 Sekunden nach Mitternacht.
    Matheny legte seine Maschine zur Seite und schaute in die Tiefe. Peacock Point, getroffen von Dumbos Bomben und denen der Flugzeuge, die neben ihm flogen, stand in lodernden Flammen. Sie hatten Glück gehabt, das war Matheny klar: Die Japaner waren im Schlaf überrascht worden, und keiner hatte es bislang bis zu den Flugabwehrgeschützen geschafft. Als Matheny abdrehte und wieder Kurs in Richtung Midway nahm, ging eine B-24-Angriffswelle nach der anderen über Wake nieder. Die Japaner rannten zu ihren Waffen.
    Im
Super Man,
der sich noch ein ganzes Stück oberhalb und hinter Mathenys Flugzeug bewegte, konnte Louie hinter den Wolken helle Lichtexplosionen sehen. Er betätigte das Regelventil für die Öffnung des Bombenschachts, und die Abdeckungen rumpelten zur Seite. Er stellte die Bombenaufhängevorrichtung auf »Select«, schaltete auf Bombenabwurf um und fixierte die Einstellungen. Phil hatte die Anordnung, zum Abwurf der Bomben |92| auf 1200 Meter herunterzugehen, aber als er diese Höhe erreichte, befand er sich noch immer mitten in den Wolken. Louies Ziel war die Landebahn, die er allerdings noch nicht erkennen konnte. Phil verringerte die Flughöhe weiter; mit ungeheurer Geschwindigkeit schoss die Maschine vorwärts. Plötzlich durchbrach
Super Man
auf einer Höhe von 750 Metern die Wolkendecke, und schlagartig tauchte in aller Deutlichkeit Wake unter ihnen auf.
    Die Erinnerung an das, was er nun tief unter sich erblickte, konnte Pillsbury sein ganzes Leben lang nicht mehr abschütteln: »Es sah aus wie ein Sternensturm.« Die Inseln, die noch Minuten zuvor in absoluter Finsternis gelegen hatten, standen in lodernden Flammen. Mehrere riesige Brände, über denen schwarzer Rauch hing, verzehrten die Öltanks des Atolls. Von den Punkten, wo Bomben aufschlugen, stiegen pilzförmige Feuer auf. Die Strahlen von Suchscheinwerfern wurden von der Unterseite der Wolken
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