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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen
Autoren: Ernst Vlcek
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das Geheimnis des ewigen Lebens gar nicht. Ich bin nur Vermittlerin. Und selbst mein Mandant, dessen ausführendes Organ ich bin, ist nicht in der Lage, einer beliebigen Anzahl von Menschen zur Unsterblichkeit zu verhelfen. Er hat diesen Vorzug nur an eine einzige Person zu vergeben – und auch nur im Austausch gegen dessen Sterblichkeit. Das geht aus dem Inserat doch deutlich hervor? Mit der Unsterblichkeit übernimmt der auserwählte Kandidat auch eine große Verantwortung. Ich komme noch darauf zu sprechen, Andy, aber eines nach dem anderen. Wenn Sie sich als geeignet erweisen, dann bekommen Sie den Posten. Im anderen Fall werden Sie alles wieder vergessen, was Sie von mir erfahren haben.«
    »Ich glaube, da liegt ein Mißverständnis vor«, sagte ich. »Ich suche keine Arbeit, das habe ich gar nicht nötig.«
    »Ihre Verhältnisse sind mir bekannt.« Sie zeigte mir ein wissendes Lächeln. »Ihre sogenannte Verlobte sorgt recht gut für Sie. Aber füllt Sie dieses Leben auch wirklich aus?«
    Aha, dachte ich, jetzt kommt es. Aber ich kam ihr zuvor.
    »Was hätten Sie mir denn vorzuschlagen?« erkundigte ich mich höhnisch. »Egal welcher Sekte Sie auch angehören, ich kenne Ihr Patentrezept für eine unsterbliche Seele. Durch innere Einkehr, Selbsterkenntnis und Meditation zu tiefem Glauben, der zwingend zum ewigen Leben nach dem Tode führt! Aber für diese Art von Unsterblichkeit habe ich vorgesorgt. Fragen Sie mal in meiner Pfarrgemeinde an, wie hoch sich meine monatlichen Spenden belaufen. Ich habe also für mein Seelenheil gesorgt. Was ich aber will, ist, mein Leben in diesem Körper und auf dieser Erde zu verlängern. Auf alles andere pfeife ich. War ich deutlich genug?«
    »Eigentlich schon«, sagte sie unbeeindruckt. »Aber ich habe auch so gewußt, daß Sie an nichts anderes glauben als an sich selbst. Gleichzeitig sind Sie aber auch nach allen Seiten hin offen und möchten sich gegen alle Eventualitäten absichern. Sie ziehen selbst ein Leben nach dem Tode in Betracht, und deshalb Ihre Kirchenspenden. Und Sie sind auf mein Inserat gekommen, weil Sie sich nicht einmal die kleinste Chance entgehen lassen wollen. Aber Sie gehen von falschen Voraussetzungen aus. Mit Geld können Sie bei mir nichts erreichen, Sie müssen schon etwas mehr opfern. Viel mehr als irgendein Glaube dieser Erde Ihnen abverlangen würde. Aber dafür bekommen Sie auch mehr. Echte multiple Unsterblichkeit nämlich, die durch nichts beendet werden kann. Multiple Unsterblichkeit heißt, ein Leben ohne Ende, das durch keine wie immer gearteten Widernisse ausgelöscht werden kann. Nicht durch Selbstmord oder äußere Gewalt, nicht einmal durch eine kosmische Katastrophe. Alle Sterne des Universums mögen erlöschen, aber die multiple Unsterblichkeit bleibt bestehen. Das habe ich Ihnen zu bieten, Andy.«
    Da war kein feierlicher Ernst in ihrer Stimme, der ihren bombastischen Ausführungen angemessen gewesen wäre. Aber gerade ihre emotionslose Art, die Dinge beim Namen zu nennen, machte sie um so glaubhafter. Ich sah keinen Grund, ihr nicht zu glauben, und mir wurde ein wenig bange. Ich versuchte, mich durch Lachen etwas zu befreien, aber es klang zu gezwungen.
    »Jetzt machen Sie aber einen Punkt, Paula«, sagte ich mit belegter Stimme. »Sie wollen mich überrumpeln. Ich war gar nicht darauf eingestellt, mit Ihnen über Kosmogonie zu philosophieren. Lassen Sie doch das Universum und seine Sterne aus dem Spiel, so hoch will ich gar nicht greifen.«
    »Das wird aber von Ihnen verlangt, Andy«, sagte sie. »Entweder alles oder nichts. Sie können nicht Unsterblichkeit verlangen und sich vor der Verantwortung drücken wollen. Wenn Sie die Anzeige durchgelesen haben, dann wissen Sie, daß an den Kandidaten gewisse Anforderungen gestellt werden. Glauben Sie eigentlich, diesen zu entsprechen?«
    »Nun, ja, ich denke, ich bin gar kein so schlechter Mensch«, sagte ich unbehaglich, denn aus ihrer Frage hörte ich heraus, daß sie über mich Bescheid wußte. »Ich will ganz ehrlich sein und zugeben, daß ich einiges auf dem Kerbholz habe. Aber das liegt daran, daß die heutige Gesetzgebung für Leute wie mich unzulänglich ist. Ich passe nicht in die von unserer Gesellschaft erstellten Normen und kann nur auf meine Art recht zu leben versuchen, falls Sie wissen, was ich damit meine. Sie sind doch kein Richter mit einem dicken Gesetzbuch, also können Sie flexibel und tolerant sein. Zweifellos haben Sie über mich einige unschöne Dinge gehört,
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