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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen
Autoren: Ernst Vlcek
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kostete nichts und konnte in keinem Fall schaden.
    Ich ertappte mich dabei, wie ich mit dem Gedanken kokettierte, die Nummer nochmals anzurufen. Wenn ich doch zögerte, dann nur, weil ich mich noch ziemlich zittrig fühlte und befürchtete, diese Matrone würde mir meinen Kater vorhalten und mir raten, ihn erst auszukurieren, bevor ich sie wieder belästigte.
    »Jasmin!« rief ich. »Du mußt einen Anruf für mich erledigen.«
    Erika kam sofort aus der Küche geschossen, als hätte sie nur auf diese Gelegenheit gewartet. Ich zeigte ihr das Inserat und sagte, sie solle sich in meinem Namen unter der angegebenen Nummer melden.
    »Ist das ein Kennwort?« fragte sie mit leuchtenden Augen. »Willst du ein Ding drehen?«
    »Stell dich nicht so blöd an und wähle schon die Nummer«, verlangte ich. Sie war eine hoffnungslose Romantikerin und sah uns beide vermutlich als eine Art moderne Bonny und Clyde. Daran war ich selbst nicht ganz unschuldig. Denn als ich sie kennenlernte, ging sie gerade mit einem Rocker, dem ich ein bißchen einheizen mußte, um ihm deutlich zu machen, daß er abgemeldet war. Seit damals glaubte sie, wir seien ein Gangsterpärchen.
    »Ja? Hallo?« hörte ich sie in die Sprechmuschel sagen. »Ich rufe wegen des Inserats an: Tausche multipli … ja, genau das … Nein, nicht ich, sondern mein Verlobter … Andreas Hameter. Aber alle nennen ihn Roter Andy. Wegen seines Haares. Wie alt? Dreiundvierzig, glaube ich.« Ich nickte bestätigend. »Ja, dreiundvierzig. Beruf? Er ist …« Als sie mich fragend ansah, formte ich mit den Lippen lautlos ein Wort. Erika kicherte, als sie es ablas und laut wiederholte: »Er ist Hausmann, jawohl, und ich gehe für uns beide verdienen … Natürlich ist er gesund. Er hält sich durch Sport fit … Wieso ist es schade, daß er keine ernste Krankheit hat? Das verstehe ich nicht. Suchen Sie einen Todeskandidaten, oder was? … Sie wollen mich wohl frotzeln. Einen Termin?« Ich nickte eifrig. »Klar, Andy würde gerne vorbeischauen. Ob es heute abend recht wäre? Um 20 Uhr 30?« Ich nickte ihr zu. »Ja, das würde passen. Moment, ich notiere mir die Adresse. Dr. Paula Trotta, Erster Bezirk, Spielmannstraße siebzehn … ich hab’s. Ja, um 20 Uhr 30. Ist notiert.«
    Als sie geendet hatte, hielt sie den Hörer noch eine Weile ratlos in der Hand, bevor sie ihn auf die Gabel zurücklegte. Dann blickte sie zu mir.
    »Tut mir leid, ich versteh’s nicht, Andy«, sagte sie. »Die hatte sie wohl nicht alle. Es klang fast so, als wollte sie mit dir nur reden, wenn du nahe am Verrecken wärst. Aber Hauptsache, du weißt, woran du bist.«
    »Hm«, machte ich. Mein Kater war auf einmal wie verflogen. Die Sache begann mysteriös zu werden, aber um so mehr faszinierte sie mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sich jemand so interessant machte, nur um einen Abnehmer für Ginsengwurzeln zu finden. Da mußte mehr dran sein.
    Ich trug Erika auf, einige Erkundigungen über diese Dr. Trotta einzuholen, während ich mich bei einem Nickerchen regenerierte. Sie telefonierte dann endlos lang herum, vergeudete den halben Tag damit, aber im Lauf des Nachmittags begann ihre Arbeit die ersten Früchte zu tragen. Das Telefon klingelte fast pausenlos, und die Informationen trudelten ein. Nach Auskunft meiner Freunde unterhielt Dr. Paula Trotta eine Notariatskanzlei und war vor allem auf die Patentierung von Erfindungen spezialisiert.
    Da klingelte es auch bei mir.
    Eine Erfindung, die half, das menschliche Leben zu verlängern! Warum nicht? In unserer verrückten Zeit war alles möglich, auch daß jemand sein Lebenselixier zu Testzwecken vor allem an Kandidaten ausprobieren wollte, die in den letzten Zügen lagen. Mir schossen die wildesten Vermutungen durch den Kopf, aber ich kam auf keinen grünen Zweig. Ich hoffte nur, daß sich die Angelegenheit nicht als Niete erweisen würde. Aber dann konnte sich diese alte Schachtel was anhören!
    Meine Laune und meine körperliche Verfassung besserten sich rasch. Ich war so aufgekratzt, daß ich schon um achtzehn Uhr damit begann, mich in Schale zu werfen. Ich zog mich ein paarmal um und entschloß mich schließlich für einen grauen Mohairanzug, der dezent und unaufdringlich genug für diese Gelegenheit war. Als Erika dann mit der grellgelben Papageienkrawatte antanzte, hätte ich sie am liebsten damit erwürgt. Ich wählte einen unifarbenen Schlips. Braun. Im Ton zu den Schuhen passend.
    Erika schmollte, als ich sie Viertel vor acht verließ.
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