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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman
Autoren: Heinrich Steinfest
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Villa…so
sieht es in Hollywood nicht aus.«
    Aber das schien nun mal nicht das Thema des Streifens zu sein, wie
es in Hollywood aussieht. Und die fehlende Authentizität filmischer Lokalitäten
ist ja auch sicher kein Privileg von Pornostreifen. Zudem war Lorenz zwar ein
Pedant, doch kein Nörgler. Er fragte sich nur, wofür man eigentlich die
Requisite bezahlte.
    Nun, das alles würde bald vorbei sein. Dies sollte der letzte Tag
sein, an dem er sich solche Fragen stellen mußte.
    Der Regisseur, der tatsächliche Regisseur,
erklärte, worum es heute ging. Er nahm sich allerdings ziemlich ernst dabei. Er
gehörte wohl auch zu denen, die vor zwanzig Jahren Kunst gemacht hatten. Lorenz
hörte nur halb zu, zog sich in der Zwischenzeit aus und legte seine Kleidung
sehr ordentlich auf einen Sessel. Dabei dachte er, wie nett es wäre, genau
diese Handlung zu filmen, dieses akkurate Zusammenlegen der Kleidung, dieses
Bemühen, keine Falten entstehen zu lassen, zumindest keine ungeplanten Falten.
    Entsprechend den Anweisungen des Regisseurs setzte sich Lorenz auf
das mit einem hellrosafarbenen Satinstoff bezogene monumentale Sofa, streckte
seine muskulösen Arme über eine Gruppe pinguinartig gedrängter Polster, bildete
mit den Beinen ein geknicktes V, spannte seine Bauchmuskeln an und zwang einen
herausfordernden Blick in sein Gesicht. In erster Linie freilich bemühte er
sich, nicht zu lachen. Darüber zu lachen, wie nun der Regisseur einer Frau mit
feuerrotem Kunsthaar akribisch beschrieb, was sie längst wußte. Sie stand da,
nackt bis auf die Perücke, die Hände in die geraden Hüften gestützt und
verdrehte die Augen.
    Â»Hör auf, Schätzchen, die Augen zu verdrehen«, sagte der Regisseur.
    Â»Ich weiß schon«, sagte das Schätzchen, »daß Sie einmal mit Polanski
zusammengearbeitet haben. Na und? Soll ich dem Lorenz jetzt einen blasen oder
nicht?«
    Die Sache mit Polanski war eher ein Witz. Niemand glaubte dem
Regisseur, daß er allen Ernstes mit der Superlegende Polanski auch nur auf
derselben Party gewesen war. Polanski , das klang wie Andromeda oder Kreuz des Südens ,
als spreche man von einer sehr fremden, sehr fernen Welt. Was aber niemand hier
ahnen konnte, war, daß der Regisseur von »Sexsofa« (unter diesem Titel sollte der
Film in die einschlägigen Kinos kommen) tatsächlich einst für Polanski tätig
gewesen war, nämlich in jener frühen Produktion mit dem Titel »Wenn Katelbach
kommt«, einer von diesen Geschichten, deren Sinn darin besteht, daß jemand kommt.
Das ist überhaupt der Unterschied zwischen Moderne und Postmoderne. In der
Moderne hatten wir noch das Glück, auf jemanden zu warten, der sich niemals
würde blicken lassen, ob er jetzt Godot oder Katelbach hieß oder bloß ein
Linienbus war. Heute aber geschieht alles , alle
kommen, jede Vorhersage wird erfüllt, übererfüllt; wenn ein Katelbach sich
ankündigt, kommen nachher drei Katelbachs, jeder mieser und brutaler als der
andere. Oder gütiger.
    Moderne ist also, wenn jemand ausbleibt. Leider ist die Moderne tot
(von den Linienbussen einmal abgesehen). Eine Sache, an der auch der Regisseur
von »Sexsofa« nicht unwesentlich litt.
    Wofür seine Schauspieler wenig Verständnis hatten. Die Frau mit der
Perücke ließ sich nicht weiter abhalten und gab dem Skriptgirl ein Zeichen.
Eine elektronische Klappe wurde betätigt. Der Regisseur war gewissermaßen
überstimmt. Die Kamera lief, die Scheinwerfer leuchteten, das Mikro hing in den
Raum. Die Perükkenfrau bewegte sich auf Lorenz zu und fragte, ob sie die Rolle
der Vanessa in »Krieg der Frauen« bekommen würde. Lorenz antwortete, das habe
nicht er zu entscheiden, sondern er . Dabei zeigte er
mit einem gewürzten Lächeln auf sein aufgerichtetes Glied. Sofort ging die
Rothaarige in die Knie, schob sich mit den gespreizten Fingern das Haar hinters
rechte Ohr, öffnete ihren Mund und ergab sich dem Unweigerlichen. (Eines ist
die Pornographie ganz sicher nicht, ein Hort überraschender Wendungen.) Auch
der Kameramann ging in die Knie und bemühte sich, ins Bild zu bekommen, was nun
mal in dieses Bild hineinmußte.
    Während Lorenz da saß und die üblichen geistreichen Kommentare von
sich gab, wie gut sie es ihm besorge (wo er doch in Wirklichkeit gelernt hatte,
sein Glied praktisch zu hypnotisieren, ja selbiges in eine lang
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