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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman
Autoren: Heinrich Steinfest
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körperlich gesehen topfit. Das
gehörte dazu. Seit Jahr und Tag praktizierte er ein gelenkschonendes
Krafttraining, ging zum Joggen und Schwimmen, hüllte sich in Schlammpackungen,
duschte kalt, ließ sich maniküren, achtete auf seine Zähne, mied fettige
Speisen, betrachtete Alkohol mit Mißtrauen und erkannte den Wert der einen oder
anderen Zigarette in ihrer appetitmindernden Wirkung. An ihm war kein einziges
Fettpölsterchen, die Haut glatt, das dunkelbraune Haar voll, die Augen frei von
Ringen. Natürlich werden viele sagen, daß es in Pornos nicht auf die Augen
ankommt. Aber so einfach war das nicht. Lorenz sah sich als Ganzes, auch im
Film.
    Die Frauen, mit denen er zusammenarbeitete, mochten ihn. Es war
Verlaß auf ihn. Er war pünktlich, nie ungewaschen, selten launisch. Und er war
kein Besserwisser, der seinen Kolleginnen mit Uraltgeschichten auf die Nerven
ging. Während ja so mancher in die Jahre gekommene Akteur meinte, daß vor
zwanzig Jahren alles besser gewesen sei, als Pornos noch von echten Künstlern
gedreht worden waren. Lorenz Mohn konnte auf einen solchen Schmonzes
verzichten. Er blieb sachlich und ruhig und konzentrierte sich auf seine
Arbeit, die lange nicht so vergnüglich war, wie Laien sich das vorstellen.
Selbstverständlich wurde auch hier, wie bei jedem anderen Filmgenre, mit vielen
Unterbrechungen gearbeitet, wurden Pausen eingelegt, Tränen gestillt,
Sensibilitäten gepflegt, aber es ging nun mal nicht an, ewig herumzujammern.
Vor allem die männlichen Darsteller waren aus naheliegenden Gründen gezwungen,
bei der Sache zu bleiben und einen Zustand wenigstens körperlicher Erregung zu
erreichen. Ganz gleich, wie gelangweilt die Frauen schienen oder wie deppisch
sich das Drehteam aufführte. Von der Häßlichkeit der Kulissen ganz zu
schweigen.
    Daß ein Mann wie Lorenz in seinem bisherigen Leben genügend Sex
gehabt hatte, versteht sich. Und dabei ist nicht nur sein Beruf gemeint,
sondern auch sein Privatleben. Einerseits. Andererseits war es ihm verwehrt
geblieben, eine Frau fürs Leben zu finden. Gerade das Faktum seiner filmischen
Tätigkeit – und er ließ dies nie unerwähnt, denn Täuschungen waren ihm zuwider – schien viele Frauen, vor allem die bürgerlichen, in höchstem Maße anzuziehen.
Offensichtlich stellten sie sich Lorenz als einen Sexmeister vor, einen
Zauberer, einen Fingerkünstler, wenigstens einen Trickkünstler. Falsche Magie
war immer noch besser als das, was diese Frauen gewohnt waren, nämlich gar
keine Magie. In einer Welt des Mangels entstanden Luftschlösser.
    Doch ganz gleich, ob selbige Frauen nun genau das erlebten, was sie
sich von diesem Spezialisten erhofft hatten, oder auch nicht, sie wären nie und
nimmer auf die Idee gekommen, mit einem solchen Mann zusammenleben zu wollen.
Selbst dann nicht, wenn er bereit gewesen wäre, seine Profession gänzlich
aufzugeben. Nicht zuletzt jene Damen, die ständig die Toleranz im Munde führten
und vor lauter Aufgeschlossenheit sogar überlegten, ob sie nicht zur
Abwechslung einen kleinen Neonazi adoptieren sollten, waren überaus kurz
angebunden, wenn Lorenz sich nach einer ersten Nacht um ein Wiedersehen bemühte
und dabei Dinge wie einen Theaterbesuch oder eine gemeinsame Bergwanderung ins
Spiel brachte. Man wich ihm aus, als hätte er eine Krankheit, die immer erst
beim zweiten Mal übertragen wird. (Auf die Idee werden die Viren auch noch
kommen.) So lief das ab. Und die Möglichkeit, sich vielleicht mit einer seiner
Filmpartnerinnen zu liieren, schloß Lorenz sowieso aus. Das wäre unsinnig
gewesen. Seine Kolleginnen waren gefallene Prinzessinnen, die davon träumten,
eines Tages in einem Ferrari aufzuwachen. Einem Ferrari, den sie dann selbst
bezahlt hatten, aus so einer Art wachgeküßtem Prinzessinnenbankkonto.
    Der Umstand, ohne echte Partnerin zu sein, hatte Lorenz über viele
Jahre mit Wehmut erfüllt. Er empfand dies als eine Ungerechtigkeit. Als wollte
man ihn dafür strafen, sich im Alter von zwanzig Jahren für das Pornogeschäft
und gegen die Physik entschieden zu haben. Wobei er anfangs gemeint hatte, er
könnte beides vereinen, sich zur Hauptsache seinem Studium widmen und ein wenig
nebenher pornographieren. Doch er war mit seinem jungen, damals sehr viel
weniger athletischen, sondern auf eine anmutige Weise magersüchtig wirkenden
Körper gut angekommen bei den
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