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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman
Autoren: Heinrich Steinfest
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Produzenten (was das Publikum von seiner
Erscheinung und seinen Leistungen hielt, blieb natürlich stets ein Geheimnis;
er war ein Mann , er würde es nie zu einem Pornostar
bringen, zumindest nicht in der heterosexuellen Sphäre, die zu verlassen er in
keinem Moment bereit gewesen war). Er bekam mehr Aufträge, als er brauchte. Und
nahm sie alle an. In Augenblicken leichter Berauschtheit kam es ihm vor, als
könnte ihm die Pornographie helfen, die Welt zu begreifen. Und zwar sehr viel
besser als die Physik. Das war ein Irrtum gewesen. Nun, vielleicht hätte es
sich ebenso als Irrtum herausgestellt, auf die Physik zu setzen. Aber eines
wäre ihm dank ihrer wohl eher gelungen, nämlich eine Partnerin fürs Leben zu
finden, die üblichen Kinder zu zeugen und das übliche Haus in die Landschaft zu
stellen. Statt dessen: ein kranker Schwertfisch, der um vier morgens durch sein
Bett treibt und sich darüber klar wird, es endgültig satt zu haben.
    Â»Ich werde aufhören«, sagte Lorenz. Und weil er das so vollkommen
ernst meinte, konnte er sich zur Seite drehen und in einen Schlaf zurückfallen,
der noch gute drei Stunden andauern sollte.
    Als er erwachte, war der Tag da, groß und finster. Wie
diese Polizisten im Film, wenn sie ihre schwarzen Lederschuhe in den Türspalt
stellen und erklären, sie würden einen Dreck darauf geben, was in irgendeinem
Gesetzbuch steht. Von wegen Durchsuchungsbefehl.
    Nachdem Lorenz in einem benachbarten Park eine dreiviertel Stunde
gejoggt war, ging er unter die Dusche, wo er abwechselnd heißes und kaltes
Wasser über seinen Körper laufen ließ. Er betrachtete die makellos
gleichförmige Struktur seiner Bauchmuskeln, diese armeeartige Formation, die
Reihen enggeschlossener, dumpf dahinmarschierender Soldaten. Die üblichen
Römer. Und man weiß aus »Asterix und Obelix«,wie
wenig solche Soldaten ausrichten können gegen ein bißchen Zauberkraft. Gegen einen
einzigen dicken Mann. Lorenz war verbittert. Nicht wegen des Anblicks, sondern
darüber, daß ihm dieser Anblick so wenig bedeutete. Ja, dies war ein Bauch für
die anderen, für die neidvollen Blicke der Männer und die sehnsüchtigen der
Frauen. Doch es war kein Bauch, der Lorenz selbst zur Freude verhalf.
    Und als Lorenz sich nun an den Fenstertisch in der Küche setzte und
damit begann, verschiedene getrocknete Früchte, Haferflocken, Nüsse sowie eine
in präzise Scheiben zerteilte Banane mit einem fettarmen Joghurt zu vermengen,
da beschloß er, daß er ab morgen mit dieser Müslischeiße aufhören würde. Nicht,
daß er vorhatte, sich in Zukunft dank gebratenem Speck den Magen und vor allem
die Haut zu verderben. Auch sehnte er sich in keiner Weise nach jenen Wampen
und Bäuchen und Umrundungen, an denen seine Altersgenossen so erfolgreich
modellierten, aber er wollte nicht weiter eine Norm verfolgen, die allein
seinem Beruf diente. Einem Beruf, den er, entsprechend einer um vier Uhr
morgens getroffenen Entscheidung, an den Nagel hängen würde. Und zwar noch
heute, gleich nachdem die Dreharbeiten abgeschlossen waren. – Es gibt Dinge,
die kann man nicht aufschieben. Es gibt Bomben, die man sofort entschärfen muß.
Es gibt Insekten, die man lieber töten sollte, bevor sie einen stechen. Und
nicht erst zuschlagen, wenn das Viech schon auf der Haut sitzt und man mittels
des Schlags sich dessen Mundwerkzeug nur noch tiefer ins eigene Fleisch stößt.
Man sollte also beim Töten nicht bloß auf die Verhältnismäßigkeit, sondern ebenso
auf die Rechtzeitigkeit achten.
    Kurz nach zehn betrat Lorenz Mohn das Haus, in dem der
Film zu Ende gedreht wurde. Der Plot war denkbar einfach. Lorenz spielte darin
einen Hollywoodregisseur, der sich auf der Suche nach der Idealbesetzung für
einen Thriller befindet, einen Thriller mit dem Titel »Krieg der Frauen«. Und
darum also sitzt er da in seiner Hollywoodvilla und empfängt eine angehende
Schauspielerin nach der anderen. Woraus sich in Null Komma nichts die obligaten
Körpersaftvermengungen ergeben. Dabei spielt ein gigantisches Sofa eine Rolle,
dem eine mirakulöse Kraft nachgesagt wird, sprich, die Ermöglichung eines
geradezu überirdischen Geschlechtsverkehrs. Was dann natürlich ein jedes Mal
der Fall ist.
    Â»Warum Hollywood?« hatte Lorenz gleich zu Beginn der Dreharbeiten
gefragt. »Ich meine, dieses Zimmer hier, diese sogenannte
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