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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung
Autoren: Schubert Stefan
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kein Wort nach draußen. Man gab sich einfach mit dieser Aussage zufrieden und war bemüht, weitere Skandale zu verhindern. Die öffentliche Selbstdarstellung der Bielefelder Polizeibehörde war wichtiger als die Wahrheit. Auch eine Form der Lüge …

25. Spielanalyse –
Das Leben danach
    Nach einer Übergangszeit als Fitness-Trainer, Türsteher und Disko-Betreiber übernahm ich vor ein paar Jahren ein schönes Fitness-Studio in Bielefeld. Ich bin bürgerlich geworden. Abends und an Samstagen verkehre ich nicht mehr in Hooligan-Kreisen, sondern besuche eine Wirtschaftsfachschule mit dem Ziel, meinen Abschluss als staatlich geprüfter Betriebswirt zu machen.
    Kai arbeitet jedes Wochenende als Türsteher, obwohl er Betriebsleiter einer mittelständischen Druckerei ist. Mit seinen knapp 40 Jahren beteiligt er sich immer noch an Schlägereien auf der grünen Wiese. Das letzte Date fand im November 2009 statt. 20 Jungs aus Braunschweig gegen 20 Bielefelder. Man traf sich auf halber Strecke in einem abgelegenen Waldgebiet. Bielefeld gewann.
    Paul zog weg von Bielefeld und wechselte häufig seine Anschrift. Bei uns meldete er sich nicht mehr. Er schämte sich. Wegen seiner Spielsucht, die er sehr lange Zeit vor uns verheimlichen konnte, hatte er Frank und mich um Geld betrogen und uns aus diesem Grund auch immer wieder belogen. Ich rief ihn irgendwann an. Er sagte, er sei verheiratet, habe vier Kinder und besitze eine kleine Druckerei. Paul freute sich sehr über meinen Anruf und versprach, sich bei seinem nächsten Elternbesuch in Bielefeld zu melden. Ich hörte nie wieder etwas von ihm.
    Frank hörte mit mir zusammen bei der Blue Army auf, er hat vor einigen Jahren seine alte Jugendliebe geheiratet und ist stolzer Vater eines Sohnes. Ihm gehört mittlerweile ein Handwerksbetrieb mit 25 Mitarbeitern. Er geht noch immer regelmäßig zu den Heimspielen der Arminia Bielefeld – als Vereinssponsor in den VIP-Bereich. Einmal im Jahr fährt er mit den Jungs für ein paar Tage nach England oder Schottland. Nur zum Feiern!
    Der Polizist, der mich am Funktisch erkannt und bei den Behörden als den gesuchten »Cobra«-Schläger gemeldet hatte, nahm Jahre nach meinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst über einen Bekannten Kontakt mit mir auf. Er schilderte die Nachwirkungen unserer heftigen Schlägerei. Er habe zur Stabilisierung seines eingeschlagenen Jochbeins eine Titanplatte benötigt, die ihn bei jedem Wetterumschwung an diese folgenreiche Nacht erinnere. Aber er gestand, sich schuldig zu fühlen. Er habe den Streit an jenem Abend begonnen und bedauere im Nachhinein sehr, dass er für den Ärger verantwortlich sei, den ich nach seiner Aussage bekommen hatte. Sein Versöhnungsangebot – 14 Jahre nach unserer Schlägerei – nahm ich an. Zu einem Treffen kam es aber nicht mehr. Im Juni 2007 griff er wegen privater Probleme zu seiner Dienstwaffe und schoss sich in den Kopf. Er war sofort tot.
    Der Kontakt zu meinen langjährigen Freunden bei der Polizei brach völlig ab. Es war zu gefährlich und zu schädlich für ihre Polizeikarrieren. Zu Beginn der Affäre setzten wir uns noch heimlich miteinander in Verbindung, aber das hörte schnell auf. Und ich konnte meine Kameraden gut verstehen. Die Polizeibehörde hatte intern großen Druck ausgeübt, um vermeintliche Mitwisser meines Doppellebens aufspüren zu können. Sie galt es damals zu schützen, auch wenn im Laufe meiner acht Jahre im Polizeidienst viele gute und innige Freundschaften entstanden waren.
    Von außen betrachtet hätten meine beiden Welten gegensätzlicher nicht sein können. In Wahrheit jedoch gab es viele Gemeinsamkeiten. Beide waren hierarchisch streng gegliederte Männerwelten. Eigenschaften wie Loyalität, Ehrlichkeit, Kameradschaft, bedingungsloser Einsatz, Kampfgeist, Angstüberwindung und Angstunterdrückung standen auf beiden Seiten im Vordergrund. Und genau diese Eigenschaften ließen einen Mann in beiden Welten die Hierarchieleiter hinaufsteigen.
    Die Nähe zur Gewalt – dem letzten Mittel zur Durchsetzung eines Auftrags – lag vielen Kollegen im Blut. Fast alle konnten diesen Drang zügeln, viel zu groß war die Angst vor dem Verlust von Karriere und Geld sowie vor gesellschaftlicher Ausgrenzung. Und viel zu stark war der Respekt vor den gesetzlichen Normen. Ich kannte diese Angst und diesen Respekt nicht, als ich regelmäßig und vorsätzlich Straftaten beging. In meinem Fall war es der Staatsgewalt nicht gelungen,
aus einem jugendlichen Schläger
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