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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung
Autoren: Schubert Stefan
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meinem Fall, freigesprochen worden wäre. Aber mein Fall war nun einmal so gelagert und ich konnte daran auch nichts ändern. Am Ende zog mich mein Anwalt zu sich heran: »Schade, dass wir niemanden finden konnten, der hätte bezeugen können, dass Sie bei den Klosterplatz-Krawallen nur schlichten wollten. Dass Sie damals vielleicht mit den Worten › Hört auf, lasst die Scheiße ‹ in den Massentumult hi­neingelaufen sind. Mit so einem Zeugen wäre die ganze Verhandlung anders verlaufen.«
    Ich musste diese Ansage erst einmal verdauen. Hatte er wirklich gesagt, was ich da gerade gehört hatte? Ich fragte nach: »Sie meinen einen Zeugen, der bereit wäre, vor Gericht auszusagen? Der cool genug bliebe, trotz dieses Presse-Spektakels mich zu entlasten? Einer, der dies auch vor dem Landgericht in der nächsthöheren Instanz aussagen würde?«
    Mein Anwalt beugte sich noch weiter in meine Richtung vor und flüsterte: »Ja, so ein Zeuge würde uns weiterhelfen. Einer, der auch nicht unbedingt auf den WDR-Bändern zu sehen ist. So einer würde uns helfen.« Ich hatte verstanden. Ein Zeuge, abgeklärt, selbstbewusst, prozesserfahren, ohne jede Verbindung zur Hooligan-Szene und bereit, möglicherweise wegen einer eidlichen Falschaussage angeklagt zu werden. Die Nadel im Heuhaufen!
    Eine Woche später hatte ich meinen Zeugen. Ich rief meinen Rechtsanwalt an. Ich beschrieb, was der Zeuge »gesehen« hatte: »Er sagt, er sei aus dem nahe gelegenen Kino gekommen. Er hätte mich vom Sehen gekannt und beobachtet, wie ich mit den Worten: › Hört auf mit dem Scheiß. Was macht ihr da? ‹ in die Massenschlägerei hineingelaufen sei. Dabei hätte er sich nichts weiter gedacht, da ihm bekannt gewesen sei, dass ich Polizeibeamter bin. Er habe jetzt erst durch Zufall erfahren, dass ich aufgrund dieses Vorfalls eine Anzeige bekommen hätte. Deshalb würde er sich zur Aufklärung dieses Missverständnisses als Zeuge zur Verfügung stellen.«
    Mein Anwalt schrieb einen entsprechenden Aktenvermerk, stellte einen Antrag, den Zeugen für die Berufungsverhandlung zu laden, und setzte die Staatsanwaltschaft und das Landgericht von dieser Wende in Kenntnis. Nur zwei Tage später erhielt mein Verteidiger einen empörten Anruf von der Führungsstelle des Landgerichts. Man machte ihm schwere Vorwürfe und stellte in Aussicht, den Zeugen in jedem Fall vereidigen zu lassen. Und eine Strafanzeige wegen eidlicher Falschaussage würde dann zwingend folgen. Diese Androhung bereitete meinem Verteidiger naturgemäß keine Schlafstörungen.
    Da wir gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung einlegten, musste mein Disziplinarverfahren weiter ruhen. Von einem befreundeten Polizisten erfuhr ich, dass die Polizeiführung schon intensiv über meine Zwangsversetzung diskutiert hatte. Gängige Praxis wäre die Abschiebung zum Polizeigewahrsam gewesen. In meinem Fall aber musste man befürchten, dass ich bei dieser Tätigkeit in Kontakt mit festgesetzten Hooligans kommen würde. Vorerst wurde ich also auf meinem Posten belassen und gewann durch das ausstehende Berufungsverfahren zunächst ein weiteres Jahr.
    Eine Entscheidung über meinen weiteren Berufsweg hatte ich noch nicht getroffen. Ein Freispruch wäre noch immer möglich gewesen, aber das ausstehende Disziplinarverfahren musste ich einfach noch abwarten. Doch was wollte ich wirklich? Einen krisensicheren Job? Streife auf Lebenszeit? Eine Karriere bei der Polizei war für mich ausgeschlossen. Um die kommenden 40 Jahre in einen beruflichen Dämmerschlaf zu gleiten, fühlte ich mich zu jung – und war zu anspruchsvoll. Objektiv betrachtet musste ich mich darauf einstellen, den Polizeidienst zu verlassen – ohne zu wissen, was danach folgen sollte. Nur ein halbes Jahr später wurde mir diese Entscheidung endgültig abgenommen.

23. Nachspielzeit –
Das zerstörerische Grinsen
    Ich saß am Funktisch, spulte meinen Dienst ab und wartete auf das Berufungsverfahren. Mein Entlastungszeuge war benannt und ich fühlte mich in diesen Monaten der Unsicherheit dennoch relativ gelassen. Auch in dieser Nachtschicht an einem Mittwoch gegen zwei Uhr morgens. Auf den Bielefelder Straßen war es ruhig und ein Großteil meiner Kollegen verbrachte diese Stunden auf dem Revier. Es klingelte an der Schranke zur Einfahrt und ich sah einen Streifenwagen der Dienststelle Kesselbrink einfahren. Es war der Dienstgruppenleiter der Nachbarschicht, der offenbar einem neuen Beamten die unterschiedlichen Bezirke zeigen
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