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Der unsichtbare Zweite

Der unsichtbare Zweite

Titel: Der unsichtbare Zweite
Autoren: Carlo Fruttero
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  VORREDE
    WEGEN GELEGENTLICHER TECHNISCHER SCHWIERIGKEITEN, Krankheiten, Reisen, familiärer Probleme und anderer banaler Umstände ist es verständlicherweise im Lauf der langen Zusammenarbeit unter dem Zweiernamen Fruttero & Lucentini hin und wieder vorgekommen, dass ein kleinerer Text mit beiden Nachnamen unterzeichnet wurde, obwohl er in Wirklichkeit nur von einem von uns stammte. Das sind so kleine praktische Schummeleien, die das Leben vereinfachen und die unsere Leser uns nachträglich verzeihen mögen.
    Aber im Sommer 1998, als wir wieder wie seit Jahren schon für »La Stampa« eine Reihe von sogenannten »Stranderzählungen« schreiben sollten, hielten wir uns an weit auseinanderliegenden Orten auf, ohne die Möglichkeit, uns gegenseitig zu beraten und zu korrigieren, wie es sonst unser modus operandi ist. Daher habe ich, F., allein die Einweihungsschere des Abgeordneten Slucca erfunden, unseres Onorevole, also »Ehrenwerten«, wie der italienische Titel für unsere Politiker besagt, die Suaden seines Chefs Onorevole Migliarini, das karierte Kostüm der Onorevole Minima Malvolio, die Fernsehkamera Laurettas der Hyäne, usw. usw. Die ersten Episoden sind in »La Stampa« mit F. &L. unterzeichnet erschienen, aber inzwischen waren mir der Einfall und die Lust gekommen, daraus eine Art Mini-Saga zu entwickeln, die nach und nach mit noch unveröffentlichten Kapiteln, neuen Abenteuern, Figuren und Nebenpersonen die endgültige Gestalt des vorliegenden kleinen Romans angenommen hat.
    Dieser erhebt natürlich keinen Anspruch auf Realismus und darf auch nicht als Schlüsselroman gelesen werden, dessen Interpretation den Klatschmäulern Nahrung geben würde, aber er betrifft doch unsere Politikerkaste, ein Phänomen, von dem L. (der keine Zeitungen liest, keinen Fernseher besitzt, lange Zeiträume im Ausland verbringt) nicht die geringste Ahnung hat. Ich habe es daher für richtig gehalten, allein für das Buch zu zeichnen oder, besser gesagt, die Verantwortung dafür ganz auf mich zu nehmen, um einem Unschuldigen die Vorwürfe, Ressentiments, Polemiken zu ersparen, die unweigerlich auf die Veröffentlichung folgen werden.
    Diesen zuvorkommend, möchte ich jedoch deutlich sagen, dass Der unsichtbare Zweite keine Satire ist; nie hatte ich beim Schreiben die großen Meister des Spotts und der moralischen Geißelung vor Augen. Wenn ich mir eine Stimme nahe fühlte, dann war es die unseres Lausbuben Pinocchio, und Onorevole Slucca, Onorevole Migliarini, Onorevole Rava und Onorevole Fava, der alte Senator Portis, Dede der Dialogator und all die anderen Schattenfiguren, die ich hier tanzen lasse, erwecken in mir, und hoffentlich auch im Leser, Gefühle belustigter Sympathie, gewiss nicht des Grimms oder der höhnischen Verachtung.
    Nach langen Jahren der Beobachtung und des tristen Umgangs mit ihnen (allerdings nur im Fernsehen) habe ich mich nämlich in einer plötzlichen Eingebung gefragt, ob unsere Politiker nicht wenigstens einen prächtigen Erzählstoff für die »leichte Muse« abgeben könnten. Ich dachte dabei an den Club der Drohnen, diese Gruppe liebenswerter exzentrischer Helden, die Sir P. G. Wodehouse in seinen Romanen unsterblich gemacht hat; ich dachte an die geschlossene köstliche Welt kleiner Halunken, Schauspielerinnen, Buchmacher, Zuhälter und Betrüger, die Dämon Runyon in seinen Erzählungen so wunderbar beschrieben hat. War es nicht einen Versuch wert, so etwas einmal in der kleinen Welt von Montecitorio und Umgebung durchzuspielen? Mit dieser abgehalfterten Insidersprache, die nur aus Andeutungen besteht, aus sprachlichen Versatzstücken, ballettartigen Vorstößen und Rückziehern, wo Wand auf Wand trifft, man sich an runde Tische setzt, wo kleine Öffnungen sich auftun und wieder schließen, mit dieser Sprache also, an der man nur ein bisschen zu drehen braucht, damit sie platzt und ihren wunderbar komischen Reichtum verspritzt?
    Ich weiß nicht, ob mir das Unternehmen gelungen ist, aber jedenfalls waren es Zärtlichkeit, nicht Empörung, und Dankbarkeit, nicht Widerwille, die mich zu diesem Experiment bewogen haben.
    C. F.

GOTT SEI DANK, SLUCCA
    MEIN NAME IST SLUCCA, Onorevole Aldo Slucca, ich bin also meines Zeichens Abgeordneter, das heißt eines der vielen (sechshundertdreißig) Mitglieder des Parlaments der Italienischen Republik. Meine Partei ist klein, eine der vielen Splitterparteien, und ich bin unter Umständen und aus Gründen eingetreten, die, ehrlich gesagt, heute nicht einmal
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