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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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und sich erst unten umzudrehen. Sie gehorchten schreckensbleich. Erst unten wandten sie sich um, wisperte die Greisin und schielte geduckt nach allen Seiten: Da hätten sie gesehen, wie die Puppe die blutige Haut des Senners auf dem Hüttendach zum Trocknen aufspannte.
    Die Frau erkannte voller Entsetzen ihr altes Verbrechen. Sie sah ihm ins Auge. Niemand wußte etwas davon, kein Mensch würde sich rächen an ihr, aber ihr war nun die furchtbare Untat aufgeladen. Wie sollte sie sich davon befreien? Keine Sorge! Sie wurde erlöst. Wegen ihres geduldigen Lebens als Ehefrau wurde sie gerettet. Überall in ihrem Leib spürte sie die Verwandlung, nun noch viel stärker als in den letzten Monaten und Wochen.
    Es ging schnell, jetzt, als sie wußte, worauf es hinauslaufen würde. Sie verkroch sich in einer Ecke der Scheune. Das Fleischschwand ihr unter der runzligen Haut und von den Knochen. Die Knochen wurden dürr und splitterten. Als der Mann hinzukam, schlitzte er ahnungslos den dort liegenden, zerschlissenen Sack auf und verstreute das Stroh im Stall. Obwohl er und Männer des Dorfes überall nach der Frau suchten, fanden sie keine Spur von ihr, nur viel später in der Scheune den Ring.«
    Der Jäger zog den elften Strich, setzte sich gerade hin, nahm nun die Uhr in die Hand und wandte keinen Blick von ihr, auch klang seine Stimme erregter als zuvor:
    »Das Geheimnis der Jagdhütte
    Ein Mann aus Graubünden, ein Arzt und Jäger, beobachtete, wie das ehemalige Haus seiner Familie aus dem 17. Jahrhundert, das älteste Wohnhaus des Ortes und Zeugnis seiner bäuerlich-armen Vergangenheit, in dem schon lange keiner mehr wohnte, immer mehr verfiel und jetzt sogar abgerissen werden sollte, weil der neue Eigentümer den Grund bebauen wollte. Nun war der große Wunsch dieses Mannes, das Haus zu retten, indem er es auf das eigene Land versetzte. Aber wie sollte das geschehen? Alle Fachleute meinten, die alte Wohnstatt, nicht viel mehr als eine brüchige Bauernholzhütte, sei, historisch wertvoll oder nicht, unmöglich zu restaurieren. Sie würde den Transport nicht überstehen und nie wieder bewohnbar sein.
    Da ging eines Tages ein Wesen neben dem betrübten Mann und sagte, er solle sich nur trauen, ihm würde Hilfe zuteil. Nur dürfe er niemals, bei keiner der zu erwartenden Schwierigkeiten den Satz ›Das geht nicht‹ sagen.
    Erfreut stimmte der Mann zu. Das Wesen nahm die Gestalt eines Architekten an. Jeder Balken wurde numeriert, ein Keller wurde an der neuen Stelle ausgehoben, das mußte sein, man besserte aus, reparierte, ergänzte, vergaß auch eine neuzeitliche Wärmedämmung nicht, und das Werk wurde vollendet, ohne daß jener verbotene Satz gefallen war.
    Der Mann zog mit seiner Frau und den zwei Söhnen ein. Das Glück war groß.
    Nun hatte der Mann aber eine große Leidenschaft für das Jagen, und wenn er davon sprach, wurden seine Augen wild. Hoch oben in den Bergen besaß er unter einem Felsvorsprung eine winzige Baracke, eine etwas größere Holzkiste nur, die ihm eines Tages ein Sturm völlig zerstörte. Das bekümmerte ihn, denn oft hatte er dort oben die Nächte zugebracht und konnte dann mit stolzer Jagdbeute zurückkehren. Als er so in Gedanken ging, befand sich plötzlich wieder das Wesen neben ihm und sagte, es habe ihm bei seinem Haus geholfen, weil er sich als guter Sohn der Gegend und ihrer Geschichte erwiesen habe. Hier nun liege der Fall etwas anders. Er wolle ihm auch bei seinem privaten Vergnügen helfen, aber die Bedingung sei härter. Der Jäger hörte sich alles an, erwog es und schlug dann ein. Und wahrhaftig: In kurzer Zeit stand eine stabile, an den Balken schön geschnitzte Jagdhütte an noch günstigerer Stelle als die alte!«
    Der Jäger packte, so kam es den Gästen vor, in diesem Moment seine Uhr fester und richtete den Blick unverwandt auf die Zeiger: »Die Bedingung aber ist folgende: Immer wenn ich einen Gast bewirte und beherberge, müssen sich noch zwei weitere dazugesellen. Immer müssen es, falls ich nicht allein hier bin, also drei Besucher sein. Außerdem gilt es, ihnen bis Mitternacht, es darf am Ende der letzten weder ein bißchen früher noch ein wenig später werden, zwölf Sagen aus der Gegend zu erzählen, sonst nämlich« – der Jäger starrte die Uhr an und machte eine kleine Pause – »ist meine Seele« – er lächelte, als der Sekundenzeiger sich der Zwölf näherte – »im selben Augenblick« – er räusperte sich, er lachte – »verkauft.«
Abstieg
    Beim Abstieg
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