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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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habe. Vielleicht sei ja überhaupt Walten und Macht der Musik der eigentliche Stoff des Gemäldes gewesen?
    Nein! Hier, in der wichtigeren Bildhälfte, erscheine mit Aura und Erzgewalt, vom Maler vorausgeahnt (so der Patient Wind, für sie etwas unverständlich Dillburg rekapitulierend, ohne das Gesagte, habe er freiwillig eingestanden, selbst ganz zu begreifen), in Wahrheit, unter dem Deckmantel des märchenhaft Biblischen, der göttlichste Berg der Erde, der nicht mal 6000 Meter hohe, in weiß feurigem Dauerblitz stehende, an Schönheit alles überragenden Alpamayo, auf den die Tropensonne senkrecht herabbrenne und an dem die feuchte Luft der Urwälder hinaufsteige, beides seine Oberflächengestalt formend.
    Laut Dillburg gehe es allerdings um eine nahezu blasphemische Unterstellung: die doppelte Menschwerdung und das ungeheuerliche Herablassen der ewigen Urkraft zu einer Episode, zu einem Schicksal und Einzelfall. Es gehe um die biblisch überlieferte Menschwerdung des Göttlichen im rosigen, sehr rundlichen Säugling und um die andere, die kaum ahnbare Skizzierung seines Angesichts in der Höhe, seine jede Formel übersteigendeAndeutung in einer Epiphanie des Lichts, für das die geheimnisvolle Frauenfigur mit dem Flammenreif (bei dessen Schilderung sie, Elsa, sofort an die Zackenkränze und deren unvorhersehbares Zucken habe denken müssen, an die schönen, aber lästigen Feuerräder, die ab und zu mitten im Massieren wegen zu großer Verausgabung vor ihren Augen erschienen), nur eine Zwischenstation und Vorbereitung darstelle.
    Bei dem, was nun in Dillburgs Bericht folgte, könne sie noch weniger als vorher unterscheiden, ob es sich um exzentrische Interpretationen des Geistlichen oder Winds handle, der zunehmend geschwitzt habe.
    Dabei bemerkt Elsa, im Gegensatz zu ihrem Freund, nicht im geringsten, daß sie sich selbst, weit von ihrer normalen Stimmlage entfernt, im Bett aufrichtet und erste Schweißperlen von der Stirn wischt.
    Sie habe von dieser rechten Bildhälfte so viel begriffen und behalten, daß sie im oberen Teil in ein Honiglicht getaucht sei, das sich in der Spitze konzentriere zu einem, wie für Augenblicke sichtbar gewordenen alten Monarchen. Es müsse der Gottvater sein, in dessen Strahlenkleid unzählige Wesen aufwärts- und abwärtsschössen in gleitenden Übergängen ihrer Substanzen, schon fast entfleischlichte Prozessionen leichtfüßiger Pilger, wie zierliche Insekten in der Luft balancierend, Boten, Kuriere, zarte Fragmente in juckenden oder jubelnden Heerscharen, die der Vereinigung mit dem Licht zustrebten, aber auch, ausgestattet mit Botschaft, Auftrag, Ermächtigung, der Landschaft in der Tiefe zuflögen. Ein in Myriaden Scherben zersplitterter und sie wieder in sich einsaugender und einschmelzender Gott throne, wenn auch nur in höchst fragiler Sichtbarkeit, über den – wie nach einer Verwandlung der dunklen Strudelexistenz, der sie mit übermenschlicher Sprungkraft in die Unendlichkeit entflohen seien – sich hier heiter bildenden und zersetzenden Geistern, deren Körper und Flügel das sie nicht verbrennende Feuerschmerzlos durchwehe. Ein sich bauschendes Gewebe euphorischer Schwärme, Bienen, Libellen, ein sehr bewegliches Getümmel, das zugleich den verlängerten Gewandinhalt des Regenten hoch oben an der Spitze von allem, über Gebirgswelt und Wolken gebildet habe.
    So Wind, so angeblich Dillburg. Mit Wind seien, nicht etwa mit ihr, Elsa, die Pferde durchgegangen. Er habe auch nicht mehr auf dem Ball seine Hüpfsprünge absolviert, dafür von Eisnadelschauern und Schleiern aus Diamantstaub geredet, von Verfestigung und Sublimation, wenn Schnee in Dunst übergehe, als handele es sich in Wirklichkeit um das gemalte Schauspiel flammend herabsinkender Schneeflocken und aufsteigender Wasserdämpfe, um erregende Wechsel der Aggregatzustände, um, wie er sagte »destruktive und konstruktive Metamorphosen« und Kristallverzweigungen und hier durch Zeitraffung nachweisbar werdende physikalische und mechanische Verwitterung sowie Wiederaufbau himmlischer Ereignisse innerhalb einer dynamischen Ewigkeit, jedenfalls wenn sie, wie hier, mit dem Menschlichen, also der Mutter mit dem Kind und der Landschaft in Berührung komme.
    Er hoffe, der bisher doch immer redliche Dillburg sei nicht ein solcher Quatsch- und Wirrkopf wie dieser Pseudo-Bergsteiger mit seinem sehr luftigen Felsmassiv und Alpamayo-Gipfelaufbau samt Riffelfirn als Sagengott, brummt Elsas Freund, dem sein Engelsgeduldsfaden
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