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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
Autoren: Batya Gur
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Erstes Kapitel
     
    Auf dem offenen Feld neben der Einfahrt zum Kibbuz waren die großen Heuballen zu einer hohen goldenen Mauer gestapelt. In den Zwischenräumen zwischen den Ballen steckten Büschel von Blumen. Jemand hatte sich große Mühe gegeben, damit es aussah, als wären die Blumen von alleine auf dem Heu gewachsen. Durch Lücken in der Heuwand waren Streifen eines blauen, wolkenlosen Himmels zu sehen.
    Aharon lächelte, als er an den Kampf dachte, den Srulke um jede einzelne Blume aus seinem Garten geführt haben mußte. Er sah Srulkes faltiges, sonnengebräuntes Gesicht vor sich, seine zusammengepreßten Lippen, die seinen Stolz verbargen und seinen Widerstand gegen jede Verschwendung offenbarten, seinen gebeugten Rücken und seinen oft mißvergnügten Blick. Einen Moment lang überlegte Aharon, wen sie wohl diesmal zu Srulke geschickt hatten, um das Blumenopfer zu fordern. Früher war es immer Esti gewesen, aber als er sie heute im Speisesaal gesehen hatte, vertrocknet und hart, und sich mit einem Stich im Herzen an ihre frühere zierliche Gestalt erinnerte, ihre Anmut, die ihre Wirkung auf Srulke nicht verfehlt hatte, wußte er, daß es diesmal jemand anders gewesen sein mußte. Alle paar Jahre wurde eine andere Frau geschickt, und jedesmal war es eine, von der Srulke sagen würde: »Sie ist nett und lieb, keine wie eure Zabres*«, und dann würde er ihr die Blumen schneiden.
    Aharon betrachtete die prachtvollen großen Rosen, die gelben und roten Gerbera, die violetten Löwenmäulchen, die bescheidenen weißen Margeriten, aber wie immer konn ten sich die bunten Farben der Blumen kaum gegen das staubige Erdbraun des Ackers behaupten, das von dem Goldton der Heugarben nur noch betont zu werden schien. Doch plötzlich, als er die Blumen wahrnahm, die Farben, die Jahreszeit, fühlte Aharon eine heftige Freude, eine Art Verheißung. Einen Moment lang sah er die Dinge, wie sie wirklich waren, und ihm schien, als sei der bessere Teil von ihm erwacht, der Teil, der vorübergehend vergessen konnte, vorsichtig und berechnend zu sein, besorgt um jedes Wort, das er sagen würde.
    Mojsch stand schon mit dem Mikrofon vor der Heuwand und betrachtete die Leute, die sich, Erntegaben in den Händen, in einiger Entfernung versammelten. Der Chor des Kibbuz, vier Männer und drei Frauen, gekleidet in Blau und Weiß, stand hinter dem zweiten Mikrofon, mit Notenhef ten in der Hand. Nach dem feiertäglichen Kaffee mit Kuchen fanden sich alle Mitglieder des Kibbuz nach und nach ein, in Erwartung der Zeremonie, die bald stattfinden würde. Schon mittags hatte Aharon gehört, wie Matilda sich in ihrem bekannten mürrischen Ton darüber beklagt hatte, daß im großen Kühlschrank des Speisesaals kein einziges Päckchen Margarine mehr zu finden sei, und am Nachmit tag war aus allen »Zimmern«, wie die Kibbuzmitglieder ihre kleinen Häuser immer noch nannten, der Duft nach Käsekuchen gedrungen, und sogar Matilda hatte zugeben müssen – er hörte es, als er an ihr vorbeiging –, es sei schön, daß diese jungen Frauen ihr Rezept benutzt und für das Fest Kuchen gebacken hatten.
     
    *  Mit einem Sternchen gekennzeichnete Wörter sind im Glossar am Ende
        des Buches erläutert.
     
    Langsam füllte sich der Platz neben dem Wasserturm mit Chawerim*, Kindern und Babys. Auch viele Gäste waren da. Man erkannte sie an ihrer eleganten Kleidung, die so gar nicht dazu geeignet war, sich auf die trockene Erde zu setzen, aus der bei jedem Schritt brauner Staub aufstieg. Dieser Staub blieb an allem kleben. Noch Stunden später würde Aharon den erdigen Geruch in der Nase haben und sich daran erinnern, wie früher im Sommer, wenn er vom Herumtreiben auf den Feldern zurückgekommen war, der staubige Geruch sogar nach dem Duschen an seinem Körper haften geblieben war. Er blickte zu den Traktoren hinüber, die neben dem Platz standen. Kinder kletterten auf die großen Ketten des D6 , des gelben Caterpillar , der mit gelben und rosafarbenen Geranien geschmückt war. Väter hoben ihre kleinen Kinder hoch, damit sie die spitzen Gabeln der Baumwollpflückmaschine berühren konnten. Die Maschine stand in der ersten Reihe der Traktoren, wie ein großes, dösendes Tier, geschmückt mit Sträußen aus gelben, rosafarbenen und violetten Zinnien, Blumen, die so aussahen wie jene, die die Kinder im Kindergarten so sorgfältig malten, indem sie ein Blütenblatt nach dem anderen mit Farbe ausfüllten. Aharon sah auch die Traktoren der alten
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