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Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
Autoren: John Doyle
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Vorwort
    Mein erster Kontakt zu Deutschland war ein sehr positiver, auch wenn ich ihn nicht zu einem Menschen, sondern - zu einem
Auto
hatte. Zu einem
deutschen Auto.
    Ich war gerade zehn, Anfang der siebziger Jahre, da brauchte mein Vater eine neue Familienkutsche, und er entschied sich für einen grünen Volkswagen Kombi - oder wie er in Amerika damals hieß: einen grünen VW
Square Back.
Und mit diesem Familienauto sind wir überall hingefahren: Zum Strand, zum Baseballspiel, in die Kirche und zum Shopping.
    Aber meine stärkste Erinnerung an dieses Auto stammt nicht aus jener Zeit, sondern aus der ein paar Jahre später, in der es nicht mehr fuhr. Als unser Wagen einfach kaputt in unserer Garageneinfahrt stand sozusagen. Denn jeden Abend, wenn meine Lieblings-Baseballmannschaft, die New York Yankees, ein Spiel hatte und es nicht im Fernsehen, sondern nur per Rundfunk übertragen wurde, kletterte ich ins Auto, setzte mich ans Steuer und schaltete das Autoradio ein. Und weil es über die Batterie des Wagens betrieben wurde und diese immer noch Saft hatte, war es mir tatsächlich möglich, mitten im Sommer, abends, in völliger Dunkelheit, zusammen mit Tausenden von zirpenden Grillen, den spannenden Baseballspielen mutterseelenallein zuzuhören.
    Eines Tages aber wollte mein Vater den Wagen abschleppen lassen, denn er blockierte ja immer noch unsere Einfahrt. Ich aber hielt dagegen und schrie: »Nein! Das können
wir nicht machen! Die Batterie im Auto hat immer noch Saft! Das geht nicht!« Und so blieb es dann noch den Sommer lang: Ich hinter dem Steuer, die Yankees im Radio und eine nicht schlappmachende, deutsche Autobatterie in einem alten VW Square Back, die das alles überhaupt ermöglichte. Es war wirklich nur eine Frage der Zeit gewesen bis diese - wie man das so schön auf Deutsch sagt - »den Geist aufgab«. Aber bis dahin sagte ich, jedes Mal kurz bevor das Spiel im Radio übertragen wurde: »Come on, radio! You have to work tonight! The game is really important tonight! You have to work!« Und dann drehte ich an dem Knopf und stellte jedes Mal fest: »Holy shit! The radio is still working!«
    Ich verstehe bis heute nicht - und seit dieser Zeit sind immerhin mehr als dreißig Jahre vergangen —, wie das möglich war. Warum funktionierte das Radio den ganzen Sommer lang? Wie konnte die Autobatterie so lange so viel Saft haben? Das alles kam mir wie ein Wunder vor. Wie ein Wunder voller spannender Baseballspiele, warmer Sommernächte, einmaliger Erinnerungen - und nicht zu vergessen die vielen, vielen zirpenden Grillen.
    So also sah mein erster Kontakt mit Deutschland aus, und damals hätte ich nie und nimmer gedacht, dass ich jetzt seit fast zwanzig Jahren in Deutschland leben würde.
    Ich hätte mir natürlich vorstellen können, eine kurze Reise nach Deutschland zu machen, nach dem Motto »Deutschland und alle anderen europäischen Länder in sieben Tagen«. Oder die Turbo-Version in drei Tagen. Ich hätte ein bisschen Bier getrunken, wäre auf die Autobahn gefahren. Nein, natürlich hätte ich mir erst die Autobahn und dann das Bier vorgenommen. Dann noch ein paar Fotos gemacht und wieder schnell zurück nach Amerika. Aber
dass ich Deutsch lernen, eine deutsche Frau heiraten, ein deutsch-amerikanisches Kind in die Welt setzen und dieses Buch schreiben würde? Wie hätte ich das alles damals schon wissen können, als ich als Zehnjähriger glücklich meine Baseballspiele im VW -Radio anhörte? Aber wie hat es der berühmte amerikanische Philosoph
Forrest Gump
schon so treffend gesagt: »Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen: Man weiß nie, was man bekommt.«
    Und wenn das alles mit Forrest wirklich passiert und das Ganze kein Film gewesen wäre, sondern das echte Leben, dann hätte ich vermutlich neben ihm auf seiner Bank in Savannah, Georgia gesessen und mit ihm gemeinsam ewig auf den Bus gewartet. Und Forrest hätte sicherlich in seiner unverwechselbaren Art irgendwann zu mir gesagt: »Und, John, deine Schachtel Pralinen heißt
Deutschland.«
    Nach einigen Jahren aber fing meine Schachtel Pralinen an, mir Magenverstimmungen zu verursachen, mich total durcheinanderzubringen. Denn ich fühlte mich nicht mehr als richtiger Amerikaner, aber auch noch nicht als richtiger Deutscher. Was dann folgte, waren Jahre der Identitätssuche, in denen ich mich immer und immer wieder fragte: »Hey John, wer oder was bist du überhaupt?« Ich kam mir vor, als machte ich eine Art zweite Pubertät durch, in der ich
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