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Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
Autoren: John Doyle
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schauten sie mich auch immer an, als wollten sie gleich sagen: »Hast du uns nicht mehr zu sagen, als dass du aus
New Jersey
kommst?« Damals war ich sozusagen »lost in space«.
    Aber
heute
weiß ich Bescheid.
Heute
bin ich im Bilde. Heute habe ich den Dreh raus! Wenn ich heute auf Partys gehe und Leute mich nach meiner Heimat fragen, dann antworte ich nicht einfach nur »New Jersey«, sondern: »Ich komme aus New Jersey, dem viertkleinsten Bundesstaat der USA , der übrigens - und das finde ich sehr interessant - nach der englischen Kanalinsel
Jersey
benannt wurde.« Und wenn ich nur eine Sekunde lang den Eindruck habe:
Nein, John, das reicht denen nicht aus. Sie brauchen noch mehr Fakten,
dann packe ich den Faktenfetischisten in mir aus und informiere meine Zuhörer über New Jerseys
    - Bevölkerungsdichte,
- Bodenschätze,
- Verkehrsanbindungen und
- Gesamtfläche von 22 588 qkm. Und dass davon 3377 qkm Gewässer ausmachen.
    Und wenn ich dann fertig bin, denke ich oft:
Mensch, John, du bist echt deutsch geworden!

Geplauder/Smalltalk
    Was ist bloß mit mir los? Ich kann nicht mal mehr ein richtiges Smalltalk-Gespräch führen. Früher, als ich ausschließlich in Amerika lebte, konnte ich stundenlang zum Beispiel über das Wetter reden. Und jetzt halte ich keine fünf Minuten durch. Schon nach zwei Minuten ertappe ich mich bei dem Gedanken: I can't believe it! Why am I still talking about the stupid weather?
    Dazu muss man eines wissen: Wenn Amerikaner eine Sache gut können, dann sind es Smalltalks. Man wartet auf den Bus, steht im Aufzug oder sitzt in der Cafeteria, und sobald eine peinliche Stille entsteht, gibt es immer einen Smalltalk, um sich aus der unangenehmen Situation zu retten. Und wenn man sonst nicht weiß, was man sagen soll, kann man immer auf das Smalltalk-Thema Nummer Eins in Amerika zurückgreifen: auf das
Wetter.
Denn bei diesem Thema sind die Smalltalk-Einstiegsmöglichkeiten schier unendlich. Hier ein paar englische Beispiele mit deutscher Übersetzung:
    »It's raining cats and dogs!«/»Es regnet Bindfäden.«
    »It sure would be nice to be in Hawaii right about now!«/»Es wäre schön, jetzt auf Hawaii zu sein.«
    »I hear they're calling for thunderstorms all weekend.«/»Ich habe gehört, dass es das ganze Wochenende lang Gewitter geben wird.«
    »We couldn't ask for a nicer day, could we?«/»Wir hätten uns keinen besseren Tag wünschen können, oder?«
    Und noch mein Lieblings Wetter-Smalltalk-Einstieg ...
    »Did you order this sunshine?«/»Haben Sie diesen Sonnenschein bestellt?«
     
    Aber Amerikaner reden nicht nur über das Wetter, wenn sie unter Fremden sind und peinliche Pausen vermeiden wollen. Sie reden auch über Promis und Sport. Und über Promis, die mit Sportlern schlafen. Und über Sportler, die mit Promis schlafen. Aber meistens reden sie nur über die Promis und die Sportler, die mit niemandem schlafen, denn das Thema
Beischlaf
birgt im Zusammenhang mit der Smalltalk-Ebene in Amerika sehr viele Risiken. Besonders, wenn man in Amerika mit streng gläubigen Menschen redet. Denn Fragen wie »Können Sie mir einen guten Sex-Film empfehlen?«, kommen bei solchen Menschen meistens nicht so gut an.
    Aber Smalltalk in Amerika ist nicht nur da, um peinliche Pausen zu überbrücken. Smalltalk ist auch dazu da, um Komplimente zu machen. Komplimente wie »Deine neue Frisur ist toll! Wo hast du dir die Haare schneiden lassen?« Aber an dieser Stelle sage ich dreimal »Achtung! Achtung! Achtung!«, denn Komplimente, die sich direkt auf bestimmte Körperparts beziehen, sind zwar erlaubt, wenn auch nur mit Einschränkungen. Man darf natürlich sagen: »Mensch, du siehst super aus! Hast du abgenommen?« - was in Amerika immer gut ankommt. Und vor allem, wenn die betreffende Person überhaupt nicht abgenommen hat. Aber solche Komplimente dürfen NIE - und wenn ich NIE sage, meine ich wirklich NIE - in eine sexuelle oder sexistische Richtung gehen. Das heißt, wenn Jane aus der Buchhaltung plötzlich in Stöckelschuhen und einem engen Kleid mit tiefem Ausschnitt zur Arbeit erscheint, darf man als Amerikaner — auch wenn man nur die peinliche Stille umgehen
will — weder anerkennend pfeifen noch Dinge sagen wie: »Mensch, Jane, siehst du heute scharf aus!« Denn bevor Sie das Wort »scharf« überhaupt ausgesprochen haben, haben Sie eine Klage am Hals wegen sexueller Belästigung.
    Ein Kölner Kumpel fragte mich einmal, ob er in den USA zu einer schönen Kollegin »lecker Mädchen«
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