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Der Überläufer: Tweed 3

Der Überläufer: Tweed 3

Titel: Der Überläufer: Tweed 3
Autoren: Colin Forbes
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PROLOG
    »Reicht es nicht endlich?« fragte Howard in die Dunkelheit des privaten Vorführraumes. »Eine scheußliche Geschichte – und wir sehen sie schon zum dritten Mal …«
    »Halten Sie bitte den Mund. Schließlich ist sie meine Frau …«
    Newman saß wie erstarrt, während der Mann am Projektor den Film von neuem anlaufen ließ. Sein Gesicht war ausdruckslos, wie gebannt starrte er auf die Leinwand.
    Der Mann, der die Szene gefilmt hatte, war ein Profi gewesen. Die erste Einstellung zeigte Alexis, die im Mondlicht auf der unbekannten Straße stand. Sie warf die Arme hoch, als das Licht der Scheinwerfer sie traf. Hinter ihr ragten undeutlich die Konturen eines unheimlichen Schlosses empor. Der Wagen, der mit hoher Geschwindigkeit heranraste, erfaßte sie zum ersten Mal, schleuderte den schmalen Körper wie eine Stoffpuppe in die Höhe und überrollte ihn.
    Newmans Bauchmuskeln spannten sich. Er glaubte zu spüren, wie die Räder den Körper zermalmten, Knochen splitterten, die Hirnschale zertrümmerten. Der Wagen kam mit einem Ruck zum Stehen. Hinter seinem Heck lag Alexis reglos auf der Fahrbahn.
    Newman hörte förmlich, wie der Fahrer den Rückwärtsgang einlegte. Der Film lief ohne Ton, nur das Rattern des Vorführapparates war zu hören. Die Zigarette, die er zwischen den Fingern hielt, war erloschen. Sein Blick wanderte von der verkrümmten Gestalt auf den Boden zu dem hoch aufragenden Schloß, einer dunklen Silhouette, wie die Illustration eines Andersen-Märchens. Und da begann es wieder.
    Der Wagen fuhr an, rückwärts jetzt. Der Fahrer hatte das Lenkrad keinen Millimeter bewegt. Er überfuhr den auf der Straße liegenden Körper. Newman hörte weitere Knochen krachen. Ihr schönes Gesicht mußte jetzt zu Brei zerquetscht sein. Der Wagen blieb wenige Meter von Alexis entfernt stehen, fuhr noch einmal vorwärts.
    Das Bild geriet ins Flackern, Lichter tanzten vor Newmans Augen.
    Dann nur noch weiße Leinwand. Er stand auf, trat in den Mittelgang und verließ den kleinen, beengenden Vorführraum. Howard eilte ihm nach, holte ihn draußen in der Halle ein und ergriff seinen Arm. Newman schüttelte die Hand ab, als ekle ihn vor jeder menschlichen Berührung.
    »Es war also Ihre Frau?« fragte Howard.
    »Ich sagte es Ihnen schon. Es war Alexis.«
    Er sprach von ihr bereits in der Vergangenheit. Wie ein Roboter marschierte er den öden Korridor hinunter. Den Blick geradeaus, immer einen Fuß vor den anderen setzend, links, rechts, links.
    »Es tut mir sehr leid«, begann Howard wieder. »War sie hinter einer Sache her …«
    »Ich sagte, Sie sollen den Mund halten. Ich habe sie identifiziert.
    Und damit genug.«
    »Der Film wurde in einem Blechbehälter aufgegeben. Von einem Postamt ganz in der Nähe Ihrer Wohnung. Auf dem Poststempel steht ›London SW5‹ …«
    Newman ging weiter, zwischen den Fingern immer noch die erloschene Zigarette. Erloschen wie Alexis. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung. Er ging mit ausgreifenden Schritten. Howard mußte laufen, um mit ihm auf gleicher Höhe zu bleiben. Er versuchte es mit einer anderen Taktik.
    »Da war eine Nachricht in plumpen Blockbuchstaben.
›An alle: Laßt die Finger von Procane.‹
Die Tat geschah …« Howard zögerte. Newman begann ihm unheimlich zu werden. »Wir glauben, sie geschah zur Abschreckung. Kommen Sie doch auf ein paar Minuten in mein Büro. Trinken Sie einen Kaffee. Oder vielleicht etwas Stärkeres? Wir haben einige unserer Leute den Film ansehen lassen und versucht, das Land zu bestimmen. Dieses Schloß …«
    »Ich habe es schon irgendwo gesehen«, sagte Newman mit derselben tonlosen Stimme.
    »Wo?«
    Er merkte sogleich, daß er zu hastig gefragt hatte. Newman wandte sich schon zur Eingangstür. Im Gehen gab er Antwort.
    »Auf einem Bild. Ich weiß nicht, wo. Wird Tweed mit der Sache beauftragt? Und wer ist Procane?«
    »Wir haben nicht die leiseste Ahnung.«
    »Meinetwegen, lügen Sie nur.«
    Die kurze Pause vor Howards Antwort war Newman nicht entgangen. Er erreichte jetzt das Empfangspult, und der Beamte in Zivil erhob sich, um ihm den Passierschein abzuverlangen. Howard schüttelte den Kopf, und der Wächter setzte sich wieder, während Newman die Tür öffnete und die Stufen zum Park Crescent hinunterstieg, ohne etwas zu sagen oder sich umzuwenden.
    Dies war das erste Ereignis, das die Menschenjagd des Jahres 1984 in Gang brachte – und zwar nur, weil am 7. November in den USA die Präsidentenwahl stattfinden sollte. Doch an jenem
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