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Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch

Titel: Don't worry, be German. Ein Ami wird deutsch
Autoren: John Doyle
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angefangen!«
    Einmal war ich mit meiner Familie zum Beispiel bei einem besonders leckeren »All You Can Eat«-Italiener, bei dem wir genau so ein Gespräch führten. Aber Gott sei Dank gab es die kleine Ami-Stimme in meinem Kopf, die mich ermutigte, nicht schlapp, sondern weiterzumachen. Sie sagte ständig: »Nicht aufgeben, John! Nicht aufgeben. Du hast bisher gerade mal sieben Teller gegessen!«
     
    Aber ich fühle mich hier in Deutschland nicht nur als Amerikaner, wenn es ums Futtern geht. Ich fühle mich auch immer wie einer, wenn mich andere direkt auf mein Heimatland ansprechen. Besonders bei Fragen wie »Was ist nur mit euch Amerikanern los? Warum habt ihr Amerikaner keine Krankenversicherung?« oder »Was passiert mit den vielen Waffen in den USA ?« In solchen Situationen komme ich mir oft vor, als wäre ich für alles, was in Amerika nicht so gut läuft, irgendwie verantwortlich. Meistens antworte ich dann, um mich wenigstens ein bisschen aus dieser unangenehmen Position befreien zu können: »Entschuldigung, aber ich wohne seit Jahren hier in Deutschland. Und ich weiß nicht, warum wir so viele Waffen und warum wir so viele Bürger ohne Krankenversicherung in den USA haben.
Und warum manche jeden Tag in die Kirche gehen. Und warum andere den Mond anbeten und wieder andere Paris Hilton!« Ich für meinen Teil habe den Mond noch nie angebetet. (Okay, Paris Hilton schon, und das hatte wahrlich nichts mit Religion zu tun.)
    Ich selbst würde nie einen Deutschen, der in Amerika lebt, dafür mitverantwortlich machen, wenn irgendwas Schlimmes in Deutschland passieren würde. Denn erstens: Was kann derjenige dafür? Er lebt ja in Amerika. Und zweitens: Es gibt nicht nur
die
Deutschen oder
die
Amerikaner oder
die
Oberflächlichen oder
die
Tiefsinnigen, sondern alle erdenklichen Menschen, total unterschiedlich im Charakter und bunt durcheinander gemischt und verteilt auf die verschiedensten Regionen und Länder der Welt.
    Apropos Vorurteile: Ich bin mir sicher, dass es auch solche Amerikaner gibt, die nicht wissen, dass es in Deutschland Strom
     gibt. Ich habe in den USA schon einige von denen in den letzten knapp zwanzig Jahren kennengelernt.
    »Was? Die Deutschen haben Strom? Echt?«
    »Ja, natürlich. Seit zwei Jahren schon! Und sie sind sehr glücklich darüber.«
    Aber Amerika besteht nicht nur aus solchen Ignoranten, sondern auch aus welchen, die Solarzellen bauen, die wiederum in Deutschland
     Strom erzeugen. Aber umgekehrt ist auch Deutschlands Blick auf die USA vielfältiger, als es manchmal dargestellt wird. Sicher: Für manche Deutsche sind die USA
der
Inbegriff an Oberflächlichkeit. Wieder andere versuchen dagegen, ihre Kinder nach Yale oder Harvard oder Stanford zu schicken, weil sie wissen, dass diese Universitäten eine extrem gute Ausbildung anbieten.
    Aber weil die Welt überhaupt nicht schwarzweiß ist, sondern wie gesagt bunt mit allen erdenklichen Schattierungen
und Abstufungen, frage ich mich heute nicht mehr, ob ich Amerikaner bin oder Deutscher. Ich versuche auch nicht mehr, Aussagen wie »Das ist typisch deutsch!« oder »Das ist typisch amerikanisch!« zu machen. Denn was ist in einem Land, das so groß und vielfältig ist wie die USA schon
typisch?
Das Gleiche kann ich auch über Deutschland sagen. Wenn ich zum Beispiel Fußballspiele im Fernsehen anschaue und höre, wie die Moderatoren von den sogenannten »deutschen Tugenden«, von Fleiß, Einsatzbereitschaft und Zielstrebigkeit sprechen, frage ich mich jedes Mal:
Haben nicht alle guten Mannschaften auf dieser Welt diese Tugenden?
Okay, die Holländer vielleicht nicht, aber die anderen schon, oder? (Das ist natürlich ein Scherz! Natürlich haben die Holländer dieselben Tugenden wie alle anderen Teams auch.)
     
    Nach fast zwanzig Jahren in Deutschland bin ich schließlich zu der wichtigen Erkenntnis gekommen, dass ich mich überhaupt nicht entscheiden
muss
, ob ich Deutscher bin oder Amerikaner. Ich bin irgendwas dazwischen: An manchen Tagen bin ich ein bisschen deutscher und an anderen ein bisschen amerikanischer. Und was früher bei mir Verwirrung und Verzweiflung ausgelöst hat, empfinde ich heute als unglaubliche Bereicherung.
     
    Was jetzt folgt, ist keine wissenschaftliche Abhandlung über Amerikaner und Deutsche, aus der Schwarz-Weiß-Sicht eines Amerikaners, der in Deutschland lebt, sondern ein persönlicher, subjektiver Erfahrungsbericht, der zwei Länder und unzählige Erfahrungen umfasst.
    Ich habe wegen einer
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