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SdG 11 - Die Kochenjäger

SdG 11 - Die Kochenjäger

Titel: SdG 11 - Die Kochenjäger
Autoren: Steven Erikson
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Kapitel Eins
     
    »Er sprach von denjenigen, die fallen würden, und in seinen kalten Augen stand die nackte Wahrheit, dass wir es waren, von denen er sprach. Worte wie gebrochenes Schilfgras und Verheißungen der Verzweiflung, von Kapitulation, die als Geschenk gegeben wird, und Gemetzel im Namen der Erlösung. Er sprach vom sich ausbreitenden Krieg, und er sagte uns, dass wir in unbekannte Länder fliehen sollten, damit uns die Vergeudung unseres Lebens vielleicht erspart bliebe …«
     
    Worte des Eisernen Propheten Elis Terr
    Die Anibar (das Weidenvolk)
     
    E
    inen Augenblick zuvor waren die Schatten zwischen den Bäumen noch leer gewesen – doch als Samar Dev das nächste Mal wieder aufblickte, stockte ihr der Atem, denn sie sah Gestalten. Auf allen Seiten, wo ein Dickicht aus Schwarzfichten, Farnen und Efeu auf die sonnenüberflutete Lichtung hinausdrängte, standen Wilde … »Karsa Orlong«, flüsterte sie, »wir haben Besuch …«
    Der Teblor, dessen Hände blutig rot waren, schnitt erst noch einen weiteren Fleischstreifen aus der Flanke der toten Bhederinkuh, ehe er aufschaute. Einen Augenblick später grunzte er kurz und fuhr dann mit seiner Arbeit fort.
    Sie schoben sich vorwärts, tauchten aus dem Dämmerlicht auf – klein, drahtig, und in gegerbte Felle gekleidet; sie hatten sich Pelzstreifen um die Oberarme gebunden, und ihre Haut, die die Farbe von Sumpfwasser hatte, war auf den entblößten Schultern und der Brust mit rituellen Narben übersät. Was zunächst wie Bärte ausgesehen hatte, erwies sich als graue Farbe oder Holzasche, mit der sie sich am Kinn und oberhalb der Lippen die Gesichter bemalt hatten. Längliche Kreise aus Eisblau und Grau umgaben ihre dunklen Augen. Sie trugen Speere, und an ihren Ledergürteln hingen Äxte und verschiedene Messer, verziert mit Ornamenten aus kalt gehämmertem Kupfer, die anscheinend den Mondphasen nachempfunden waren; ein Mann trug ein Halsband aus den Rückenwirbeln eines großen Fischs, an dem eine in Gold gefasste, schwarze Kupferscheibe hing, die, wie Samar Dev annahm, das Symbol für eine totale Sonnenfinsternis darstellte. Dieser Mann, ganz offensichtlich irgendeine Art Anführer, trat vor. Drei Schritte, die Augen auf einen unachtsamen Karsa Orlong, gerichtet, hinaus ins Sonnenlicht, wo er langsam auf die Knie sank.
    Jetzt sah Samar, dass er etwas in den Händen hielt. »Karsa, pass auf. Was du jetzt tust, wird darüber entscheiden, ob wir ihr Land friedlich durchqueren werden oder uns vor Speeren ducken müssen, die aus den Schatten auf uns geschleudert werden.«
    Karsa drehte das riesige Häutemesser um, mit dem er gearbeitet hatte, und rammte es tief in den Kadaver des Bhederin. Dann stand er auf und blickte den knienden Wilden an.
    »Steh auf«, sagte er.
    Der Mann zuckte zusammen, senkte den Kopf.
    »Karsa, er bietet dir ein Geschenk an.«
    »Dann sollte er das im Stehen tun. Seine Leute verstecken sich hier in der Wildnis, weil er es nicht genug getan hat. Sag ihm, dass er aufstehen soll.«
    Sie hatten in der Handelssprache gesprochen, und etwas an den Reaktionen des knienden Kriegers ließ in Samar den Verdacht aufsteigen, dass er den Wortwechsel verstanden hatte … und die Aufforderung, denn er erhob sich langsam. »Mann der Großen Bäume«, sagte er nun. Sein Akzent klang in Samars Ohren rau und kehlig. »Überbringer der Vernichtung, die Anibar bieten dir dieses Geschenk und bitten darum, dass du ihnen im Gegenzug ein Geschenk gibst – «
    »Dann sind es keine Geschenke«, entgegnete Karsa. »In Wirklichkeit wollt ihr einen Tauschhandel.«
    Furcht flackerte in den Augen des Kriegers auf. Die anderen Mitglieder seines Stammes – der Anibar – verharrten stumm und reglos unter den Bäumen, doch Samar spürte, wie sich eine fast greifbare Bestürzung unter ihnen ausbreitete. Ihr Anführer versuchte es noch einmal: »Dies ist die Sprache des Tauschhandels, Erretter, das stimmt. Gift, das wir schlucken müssen. Es passt nicht zu dem, was wir suchen.«
    Stirnrunzelnd drehte Karsa sich zu Samar Dev um. »Zu viele Worte, die nirgendwo hinführen, Hexe. Erkläre es mir.«
    »Dieser Stamm folgt einem alten Brauch, der bei den meisten Völkern im Reich der Sieben Städte verlorengegangen ist«, sagte sie. »Dem Brauch des Schenkens. Das Geschenk selbst besteht aus einer gewissen Anzahl von Dingen, deren Wert auf subtile und häufig verwirrende Arten festgelegt wird. Diese Anibar haben das Handeln aus der Not heraus gelernt, doch sie messen den
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