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D9E - Die neunte Expansion 01: Eine Reise alter Helden (German Edition)

D9E - Die neunte Expansion 01: Eine Reise alter Helden (German Edition)

Titel: D9E - Die neunte Expansion 01: Eine Reise alter Helden (German Edition)
Autoren: Dirk van den Boom
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Carlisle klagte wieder über Druckstellen.
    Lieutenant-Commander Thrax beugte sich nach vorne und inspizierte den Sitz, in dem der Navigator seit Jahren saß. Die blutigen Krusten des letzten Geschwürs waren recht gut abgeheilt, das fleckige Narbengewebe war das Beste, was man unter diesen Umständen erwarten konnte. Carlisle stand ununterbrochen unter Schmerzmitteln, sodass er die meisten seiner Blessuren gar nicht mehr bewusst wahrnahm, vor allem dann nicht, wenn sein Bewusstsein sich auf dem drogeninduzierten Trip befand, der ihm half, die Interceptor sicher durch das Gewirr der Wurmlochbahnen zu steuern.
    Wenn er über Schmerzen klagte, leise, fast schüchtern, dann litt er Schmerzen, deretwegen normale Menschen wahnsinnig werden würden.
    Thrax lächelte bei dem Gedanken. Normal. Das konnte heutzutage alles bedeuten. Er streckte seinen rechten Arm aus und ballte die Hand zur Faust. Aus den Knöcheln streckte sich das kaum sichtbare Filament des Analysators hervor und drang ohne erkennbaren Widerstand in das weißliche Fleisch von Carlisles unförmigem Körper ein. Thrax ließ die MedDaten in seinen Kortex laden und verglich sie mit denen der Automatik. Zwei Sensoren der uralten Suite waren offenbar ausgefallen, ohne dass die KI Alarm geschlagen hätte. Die Interceptor war seit 170 Jahren im Dienst und insbesondere die damals gebauten Medsuiten gehörten zu einer Technologie, die heute kaum noch ein Wartungsingenieur verstand. Thrax kommandierte den Abfangkreuzer seit vier Jahren und hatte Tage damit zugebracht, sich mit dem Schiff und speziell dessen Macken vertraut zu machen. Er wusste meist, was nicht funktionierte. Warum nicht und wie er es wieder reparieren konnte, konnte er im Regelfalle nicht sagen.
    Thrax rekonfigurierte die Suite. Die »Druckstellen« – schwärende Wunden, die sich mit dem uralten Septplastik des Navigatorsessels verbunden hatten und zu verwesen begannen – wurden sofort von den Nanobots angegriffen. Thrax verfolgte mit seinem inneren Auge, wie die Wundränder sich schlossen, sich das Gewebe vom Plastik löste, wie desinfiziert und geheilt wurde und, das war das Wichtigste, wie schmerzstillende Gels die Wunden abdeckten.
    Carlisle stieß ein sanftes Seufzen aus.
    »Das ist besser«, sagte er mit seiner kindlichen, piepsigen Stimme, die so gar nicht zu dem voluminösen Körper passte, der fast regungslos in dem gigantischen Sessel saß und diesen, wie es das Schicksal der meisten Navigatoren war, zu Lebzeiten nicht mehr verlassen würde. Thrax kam gut mit Carlisle zurecht, der Mann war nicht halb so verrückt wie andere seines Standes, aber er würde verbrennen wie sie alle. Noch zwei oder drei Jahre Fronteinsatz, dann war sein Gehirn durch und der geniale Beherrscher des Raumzeit-Gefüges nur noch ein dementer Idiot, der gnadenvolle Aufnahme in einem der Euthanasiezentren der Raumflotte finden würde.
    Thrax wollte nicht daran denken. Das gleiche Schicksal erwartete ihn dereinst, wenn sein Körper die Medikamente nicht mehr vertrug, die die Abstoßungsreaktionen seiner Implantate unter Kontrolle hielten. Nicht in zwei oder drei Jahren, aber auch nicht erst in zwanzig oder dreißig. Zehn, meinten die Mediker. Das fand Thrax schon sehr optimistisch.
    Er ging nicht davon aus, dass die Hondh ihn so lange am Leben lassen würden.
    Thrax zog das Medfilament zurück, es glitt sanft in seine Hand und der Knöchel verschloss sich. Dann setzte er sich wieder auf seinen Sessel, spürte das Knacken des brüchigen Plastikbezugs, das pulsierende Signal des Log-ins in seinem Kopf. Doch er wollte sich nicht mit der KI verbinden, er wollte einfach nur sehen, hören, riechen. Er hasste die Verbindung, die Verlockung des Log-ins. Sie erinnerte ihn an das, was da im Sessel vor ihm hockte und nun wieder selig lächelte, den starren Blick ins Leere gerichtet.
    Thrax setzte sich zurecht.
    »Alles in Ordnung mit Carlisle?«
    Neben ihm tauchte die schlanke Gestalt von Lieutenant Theresa Skepz auf. Seine Stellvertreterin schaute ihn auffordernd an. Richtig. Der Wachwechsel. Thrax’ Zeit für Ruhe und Besinnung.
    Thrax hasste Ruhe und Besinnung. Wenn er sich besann, dann immer nur auf das Leben, das er führte, ein Sklave des nunmehr 120 Jahre währenden Krieges gegen die Hondh, die niemals jemand zu Gesicht bekommen hatte und die das Gesicht der Menschheit so sehr veränderten. Thrax gefiel nicht, was er da sah. Vor allem nicht, wenn er in einen Spiegel blickte.
    »Es geht ihm gut.«
    Skepz nickte und schob
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