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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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anpackte, war vielversprechend. Wie würde es zügig mit allem aufwärtsgehen!
    Da erzählte ein dösiger Waldarbeiter eines Tages dem guten Geist, daß man den Bahnhof ursprünglich im Müliboda habe anlegen wollen. Wieso es dann nicht dazu gekommen sei, wisse er nicht, aber es sei einmütig beschlossene Sache gewesen. ›Einen Bahnhof mit Gebäuden, Lagerhallen, Schuppen und Zufahrtswegen, hier, in diesem kleinen Tal? Das haben die Einwohner geplant und gebilligt?‹ soll der Mensch erbleichend zurückgefragt und sich sofort bei amtlichen Stellen erkundigt haben. Das schon, wurde ihm diensteifrig mitgeteilt, aber es sei nun mal aus irgendwelchen Gründen nicht dazu gekommen, wie er sehe.
    Man weiß nun nicht mit Sicherheit, was den Menschen bewogen hat, sofort abzureisen auf Nimmerwiedersehen. Kluge können es sich denken.«
    Der Jäger machte den sechsten Strich und fragte seine Gäste noch immer nicht, ob sie eine Fortsetzung wünschten. Er redete einfach weiter:
    »Esch bisch unkel
    Ein Mann aus Molinis hatte ein Geheimnis. Er verriet es keinem. Da setzte man ihm Wein vor und lockte ihn, es auszuplaudern. Endlich, als er viel Gutes, ja Bestes getrunken hatte, sagte er: ›Esch bisch unkel, gront nit jet bissu.‹ Da war die Not groß, denn keiner verstand die Sprache.«
    Der Jäger machte den siebten Strich und sah auf die Uhr:
    »Hans Flasch
    Damals ging Hans Flasch um. Man sah ihn bei schönem Winterwetter mal hier, mal da auf den Spitzen und Graten. Mit Riesenschritten turnte er in der Gegend herum, benutzte an einem einzigen Tag mehrfach Bergbahn, Zug, Skier, um sich damit gipfelauf und -abwärts zu schwingen. Manche sagen, er tat es aus eigener Kraft. Manche haben das Sausen seiner Bretter gehört, plötzlich kurz hinter ihnen in der vollkommenen Stille. Daß er irgendwo Schaden angerichtet hätte, ist nicht bekannt. Im Gegenteil, er soll hin und wieder zum Schutz der Heimat gewirkt haben, was aber nicht allen paßte, nicht denen, die aus der Fremde kamen, hier viel Geld verdienen wollten und wieder verschwanden. Wie eine Schwalbe mit aufgerissenem Schnabel die Insekten in den Schlund saugt, so hat Hans Flasch gierig den Raum verschlungen, durch Schluchten und Tobel fegend wie das Nachtvolk.
    Auswärtigen ist er häufig als regulärer Skilehrer begegnet, anderen im dämonisch wandernden Licht auf den weißen Kuppeln inder Höhe. Er trat, falls leidlich hübsche Frauen bei den Fremden waren, zu ihnen, schnallte seine Felle ab, rollte sie sorgsam auf, zog seine Jacken aus bis auf ein weißes Hemdchen über golden glänzendem Oberkörper, den er kostenlos zur Schau stellte. Geschmückt war er mit Sternchen im Ohr und bestickter Mütze. ›Keine langen Pausen machen, wenig essen, ein bißchen Schokolade dann und wann‹, rief er den unkundigen Wanderern zu. Wie gemächlich war sein Rauf- und Runterziehen der glitzernden Reißverschlüsse! Dazwischen biß er in ein Butterbrot. Manche, die ihn so erlebten, behaupteten, er habe ihnen sehr eigentümliche Angebote gemacht. Andere sichteten ihn nur von weitem, nur von hinten. Wieder andere sehen ihn bis auf den heutigen Tag.
    Frauen bringt er auf geheimnisvolle Weise Glück. Wenn deren Männer nur wüßten, wie! Die Frauen aber, die verraten es nicht und vergessen es nie. So leibt und lebt, falls nicht gestorben, noch heute: Hans Flasch.«
    Der Jäger prüfte das Feuer, schenkte den Gästen nach, arbeitete an seiner Pfeife und begann die nächste Sage, nachdem er gewissenhaft einen Strich gemacht hatte:
    »Der Hotelier
    Der Hotelier Haldimann aus Davos, das war nun ein besonders furchtloser, saftiger Mann. Wenn den einer warnte: ›Achtung, nimm bloß nicht diese Richtung, da kommt einer einem in den Weg‹, da lachte er nur und ließ sich nicht beirren, nicht Haldimann, nicht er, da kannte man ihn schlecht! Stolz war er auf seine vielen Konkurrenten und Feinde und bot ihnen eine starke, gut gepanzerte Brust, an deren Prunken ihre Pfeile abprallten.
    Einmal aber ging, gerade an seinem Geburtstag, die Tür auf. Herein kamen seine Gegner, diesmal allerdings, ach, wie schmerzlich, mit sanften Mienen. Als er in ihre Gesichter hineinblickte, die jetzt so ganz ohne Angriffslust und Neid waren, erschrak derkernige, gerissene Mann wie noch nie im Leben. Er forschte in ihnen, nein, kein Fünkchen Mißgunst stöberte er auf und hätte es so gern getan! In diesem Augenblick wußte er, daß er sterben mußte, ja schon im Sterben lag. Anders konnte es nicht sein, er erkannte die
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