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Geteiltes Geheimnis

Geteiltes Geheimnis

Titel: Geteiltes Geheimnis
Autoren: L. Marie Adeline
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abgestürzt. Wir standen uns eigentlich nicht allzu nahe, aber ich war jung und in einer prägenden Phase meines Lebens; mit acht Jahren entwickelt man komplizierte Theorien, um Albträume in Schach zu halten. Nach dieser dramatischen Erschütterung meiner kindlichen Gefühlswelt hatte ich nicht nur Angst vorm Fliegen, sondern vor allem, was ich nicht verstand oder kontrollieren konnte. Ich versuchte zu verhindern, dass die Angst mein restliches Leben beherrschte, aber das funktionierte nicht immer. Ich schlief immer im Pyjama, für den Fall, dass ich unerwartet aus dem Schlaf gerissen wurde und aufstehen musste, schaltete beim Sex das Licht aus, falls jemand hereinkam. Diese letzte Gewohnheit hatte nichts damit zu tun, dass ich auf dem College zugenommen hatte oder damit, dass meine Mutter mich eines Tages als »zaftig« bezeichnete – ein Wort, das ich im stillen Kämmerlein erst mal nachschlagen musste.
    »Du behauptest, dass ich fett bin?«, schrie ich sie an.
    Sie protestierte aufs Heftigste. »Nein, Liebling! Das bedeutet kurvenreich. Es ist wunderschön , so zu sein.«
    Verstehen Sie mich nicht falsch: Luke erzählte mir ständig, wie schön ich war, wie begehrenswert, und ich glaubte ihm. Ich hatte kein Problem mit meinen Kurven, ich war nicht prüde. Ich war mutig. Ich mochte Sex. Allerdings zu meinen Bedingungen, in meiner Art und Weise, liegend, im Dunkeln, mit anschließender Dusche.
    Nach dem Examen teilten sich Luke, Charlotte und ich eine Zweiraumwohnung im zweiten Stock auf der Philip Street. Dort lebe ich auch heute noch. Es ist eines dieser alten viktorianischen Schindelhäuser, gelb gestrichen mit weißem Stuck. Die Wohnung hatte noch die original alten Fenster, die den Blick auf die Straßenecke freigaben. Luke stellte dort seinen Schreibtisch auf und begann an seinem »Südstaaten-Opus«, wie er es nannte, zu arbeiten. Im Winter war unser Schlafzimmer recht zugig. Aber das war mir egal, denn Luke hielt mich in den meisten Nächten warm und zahlte seinen Anteil an der Miete, wenn er gerade mal wieder einen Teilzeitjob ergattert hatte. Eine kurze Zeit arbeitete er für mich im Laden. Aber als er versuchte, Verbesserungsvorschläge anzubringen oder die Bestände umräumte, damit sie sich besser verkauften, war ich schockiert.
    »Sei vorsichtig«, warnte mich meine Mutter. »Männer mögen bei Frauen weder Kritik noch Selbstgenügsamkeit. Sie brauchen das Gefühl, gebraucht zu werden.«
    Dad widersprach. »Männer wollen einfach nur begehrt werden«, sagte er.
    Die Art und Weise, wie Charlotte Luke neckte oder ihm den Arm um die Schultern legte, hielt ich immer für schwesterlich und harmlos. Luke vergrub sich in seine Arbeit, er war ein Einzelgänger wie ich. Charlotte war einfach nicht sein Typ. Einmal bezeichnete er sie als exzentrisch, während er mich bodenständig und tiefgründig erlebte. Charlotte war Schokoeis mit Nüssen, während ich Vanille war – was keine Beleidigung sein sollte, erklärte er, denn Vanille war sein Lieblingsgeschmack.
    Aber der Geschmack ändert sich. Da ich in der Modebranche arbeite, hätte ich das wissen sollen.
    Es war mein freier Tag. Sie erwarteten also nicht, dass ich sie im Büro hinterm Laden ertappte: Charlotte auf einem Stapel stabiler Koffer, die wir gerade aufarbeiteten, ihre weißen, mageren Schenkel umklammerten Luke. Sei ne dumme, schwarze Jeans war ihm auf die dämlichen Knöchel gerutscht, sein Arsch zusammengekrampft, er wollte gerade zustoßen.
    »Meine Güte, tut mir leid«, murmelte ich, wich zurück und schloss die Tür hinter mir. Man erkennt, dass in der eigenen Südstaatenerziehung etwas falsch gelaufen sein muss, wenn der erste Instinkt ist, höflich zu reagieren, wenn man den eigenen Freund dabei ertappt, wie er die beste Freundin vögelt.
    Ich lehnte mich an den Türpfosten einer Umkleidekabine und hielt die Hand vor den Mund, bis die beiden sich angezogen hatten und sich aufgelöst und beschämt vor mir versammelten.
    Luke, der Schriftsteller, bot ein paar Formulierungen an.
    »Es tut mir so leid …«
    »Wir wollten nicht …«
    »Es ist einfach passiert …«
    »Das haben wir nicht geplant …«
    »Wir haben versucht, es zu beenden, aber …«
    Diese Worte fügten sich zu zwei sachbezogenen Aussagen zusammen. Nummer eins: Das ging schon eine ganze Weile so. Nummer zwei: Sie liebten einander.
    Sie zogen noch am gleichen Abend aus.
    Ich zahlte Charlotte für ihren Geschäftsanteil genug Geld aus, dass sie mit Luke nach New York ziehen
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