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Geteiltes Geheimnis

Geteiltes Geheimnis

Titel: Geteiltes Geheimnis
Autoren: L. Marie Adeline
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konnte. Das wollte er tun, bevor sein zweiter Roman herauskam. Sechs Monate später erschien mit lautem Paukenschlag Big Red. Eine »auf morbide Weise ehrliche Geschichte über die zersetzende Wirkung des Südens auf eine übergewichtige , sensible junge Frau, die mit ihrer Vergangenheit zu brechen versucht.« Als ich seine Beschreibung der Protagonistin, Sandrine, las, ein »nervöser, kontrollsüchtiger Rotschopf« mit einer »nymphenhaften« Schwester und einer »draufgängerischen« besten Freundin, verfiel ich in eine Schockstarre. Tagelang, wochenlang, monatelang … jahrelang. Der Roman landete auf den Bestsellerlisten, und junge Mädchen kamen in den Laden (im Buch hieß er »Fancy Pansty«) und fragten schüchtern, ob es wirklich stimmte: War ich tatsächlich die Vorlage für die berühmte, tragische Sandrine aus Big Red ?
    Dann flippte Elizabeth immer aus. »Siehst du vielleicht einen fetten Rotschopf in diesem Laden?«, schrie sie.
    Das Schlimmste war: Vor Erscheinen dieses Buches hatte ich mich nie für dick gehalten. Mir hatten meine Kurven sogar gefallen. Ich trug ausschließlich gut geschnittene Kleider im Retro-Stil, wie man sie vor den Topmodels angezogen hatte – als Kleider für alle Frauen, die nicht extrem dünn sind, noch nicht wie unvorteilhafte Wurstpellen wirkten. Und ich hatte nie daran gezweifelt, dass Luke mich attraktiv fand. Bis ich seine Beschreibung von Sandrines Schenkeln und der »weißen Masse ihrer Oberarme« gelesen hatte, die mich in einen fast ein Jahrzehnt tiefen Abgrund aus Selbstzweifeln und Unsicherheit stürzte.
    Meine Umgebung riet mir, eine Reise zu machen. Ich müsste raus aus der Stadt, irgendwohin . Aber ich konnte nicht, war ein aufreizendes Spiegelbild von Lukes phobischer Sandrine, die ihr Leben erstarrt und an einem einzigen Ort verkümmern ließ. Ich unternahm keine Ausflüge mehr zum Strand, weil ich mich davor fürchtete, im Badeanzug gesehen zu werden. Meine Schwester Bree riet mir, Yogakurse zu belegen. Meine Mutter empfahl mir Online-Dating. Beides schlechte Ideen, wie sich herausstellte. Das Einzige, was bei mir funktionierte, war die Arbeit. Also klammerte ich mich daran, machte den Laden zum Zentrum meines Lebens und zu meiner Hauptentschuldigung, um mich nicht von der Stelle zu rühren.
    Dann ließ mich Bree wie zufällig wissen, dass Charlotte schwanger war, dass Lukes »cooles avangardistisches« Drehbuch sich für »Millionen« verkauft hatte oder dass ihr Loft in Williamsburg in der Elle abgebildet worden war, wo Charlotte als freiberufliche Stylistin arbeitete. Informationen wie diese waren jedes Mal ein Rückschlag für mich. Sie verhinderten den Fortschritt, den ich durch ein paar lauwarme Dates mit einem Typen zu verzeichnen hatte, mit dem ich sogar halbherzig schlief.
    Dass meine Schwester mit Charlotte befreundet blieb, überraschte mich eigentlich nicht. »Nur weil ihr zerstritten seid, muss das ja nicht gleich heißen, dass ich sie aufgeben muss, Dauphine. Ich war schließlich auch ihre Freundin, weißt du. Das ist einfach nur ungerecht.«
    »Zerstritten? Sie war meine beste Freundin. Er war mein Freund. Sie haben meine ganze Welt zum Einsturz gebracht.«
    »Vor acht Jahren! Ein Großteil deiner Organe hat sich in dieser Zeit komplett selbst erneuert! Wann willst du dich endlich weiterbewegen? Du brauchst einen Mann!«
    Was, wenn man glaubt, keinen Mann zu brauchen, sich aber nach wie vor einen wünscht? Ich wollte einen Partner, aber nicht all das Chaos – nicht diese trübe Gefühlsbrühe, in der man schlimmstenfalls sogar sitzen gelassen wird.
    Das Thema Männer war immerhin das Einzige, bei dem ich mich meiner Mutter fügte. Sie stammte aus Tennessee, hatte dort seinerzeit an Schönheitswettbewerben teilgenommen und glaubte, Ahnung von Männern und ihren Motiven zu haben. Außerdem meinte sie, viel über mich zu wissen.
    Ihr missfiel mein Kleidungsstil. Das sagte mir ihre Miene ganz deutlich, als sie und Dad eines Tages von Baton Rouge herunterkamen, um mich anlässlich meines dreißigsten Geburtstags zum Brunch auszuführen. Ich trug ein prächtiges Teekleid aus den Vierzigerjahren, dazu einen Pillbox-Hut und einen kleinen schwarzen Schleier.
    »Wahrscheinlich hat dieser Hut eine rührende Geschichte, aber du sendest damit eine eindeutige Botschaft aus: ›Bleib mir vom Hals, denn ich bin wunderlich und interessiere mich nur für die Vergangenheit‹«, sagte sie. Wunderlich war das Schlimmste, was man über eine Südstaatenfrau in
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