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Geteiltes Geheimnis

Geteiltes Geheimnis

Titel: Geteiltes Geheimnis
Autoren: L. Marie Adeline
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der dritten Kiste war Männerkleidung: Tweedjacken, T-Shirts, ein paar Smokinghosen (mit seitlichen Satinstreifen) und eine passende Smokingjacke mit modischen, schmalen Aufschlägen. Ich hielt die Nase an den dicken Stoff und atmete tief ein. Er war sauber und duftete nach männlichem Eau de Cologne. Dieser Geruch war absolut berauschend. Er erinnerte mich an ein spätabendliches Rendezvous, an Zigarren und Aftershave, an den Rücksitz eines Taxis, an Begehren. Ich spürte einen Stich in der Magengrube. Ich stellte mir vor, wie ich den Smokingträger mit nach Hause nahm, wie er mein langes Samtkleid öffnete und es auf den Boden gleiten ließ. Darunter würde ich einen seidenen Slip tragen. Er würde sich auf meinem bunten Bettüberwurf zurücklegen und lächeln, seinen Whiskey abstellen. Ich konnte seine Hände auf meinen Schultern spüren, als er mich zu sich hinabzog, eine meiner langen, roten Haarsträhnen in die Hand nahm und meinen Kopf zurückzog, so dass ich ihm meine zarte Kehle darbot. Ich würde seinen Namen so laut rufen, dass die Spinnweben von den Fluren des verlassenen Hauses verschwanden, in das mein Körper sich verwandelt hatte, und …
    »Dauphine!«
    Beinahe wäre ich vor Schreck hintenüber gekippt. » Verdammt! Was ist los, Elizabeth?«, rief ich, löste meine Finger von dem Jackett und ließ es fallen.
    »Ich habe jetzt bestimmt eine Million Mal deinen Namen gerufen!«
    Mein Magen knurrte so laut, dass wir es beide hörten. Dann hatte ich plötzlich Sternchen vor den Augen und musste mich an der Glasvitrine abstützen.
    »Geht es dir gut?«
    »Ja, ich hatte nur einen kleinen Aussetzer.«
    »Dein Magen klingt, als ob zwei Wölfe darin kämpfen. Du brauchst etwas zu essen. Setz dich draußen in die Sonne. Dein Geschäft öffnet offiziell nicht vor zwei Uhr«, schalt sie mich mit der bewundernswerten Autorität sehr junger Menschen. Sie klaubte meine Tasche unter der Glasvitrine hervor, packte mich am Arm und schob mich zur Tür. »Komm wieder, wenn du gestärkt bist, Fräulein. Und lass dir verdammt nochmal Zeit.«
    »Gut«, willigte ich ein. Mir war immer noch schwarz vor Augen.
    Nebenan ergatterte ich den letzten leeren Tisch im Innenhof des Ignatius’ und bestellte mir ein heißes Gumbo – der Klassiker unter den Eintöpfen der Südstaatenküche. Die Sonntags-Kunden shoppten wie verrückt. Vielleicht kam mir das aber auch nur so vor, weil der Frühling gerade begann und ich zum ersten Mal seit Langem wieder draußen war, unter Menschen, statt mich im Laden zu verkriechen und das Inventar zu überprüfen. Außerdem hatte ich nicht nur heute das Frühstück ausgelassen. Vielleicht hatte ich deshalb Gewicht verloren.
    Darüber dachte ich gerade nach, als er mir auffiel – er, er ! Mark Drury, Leadsänger der Careless Ones .
    Noch nie hatte ich ihn mit Bart gesehen. Es gefiel mir. Seine Band spielte regelmäßig samstags, am frühen Abend, in den Three Muses. Und Marks Stimme war ein heiserer, tiefer Bass, ein Countrymusic-Traum. Hin und wieder sang er eine Coverversion eines Hank-Williams-Songs, bei der ich immer halb in Ohnmacht fiel. Er war groß und schlank, hatte schwarzes Haar und blassblaue Augen. Seine vornübergebeugten Schultern zeugten davon, dass er stets ein Instrument auf dem Rücken trug. Und ausgerechnet dieser Mann stolzierte an meinem Tisch im Innenhof vorbei und ging ins Lokal. Er und ein paar seiner Bandmitglieder kamen schon mal ins Funky Monkey, um T-Shirts und Jeans zu kaufen. Aber immer musste Elizabeth sie bedienen, denn ich war zu schüchtern, um mich persönlich um sie zu kümmern. Die Careless Ones waren die einzige Band vor Ort, zu deren Konzerten ich allein ging. Wenn ich ihnen zuhörte, konnte ich mich wirklich entspannen und ganz eins sein mit meinem Körper. Musik war das Gegenteil von mir selbst. Deshalb war ich so fasziniert von Künstlern wie Mark, die auf der Bühne vor einem Haufen Menschen stehen und dennoch vollkommen loslassen konnten.
    Rede mit ihm , dachte ich. Geh nach der Show doch einfach mal hin, tippe ihm auf die Schulter und sage: »Hey Mark, wenn ich Lust habe, allein einen zu trinken, dann sehe ich dir zu .«
    Na toll. Wenn das nicht nach einer Verrückten klang.
    Ich liebe es, im Dunkeln zu stehen und dir zuzusehen, wenn ich ganz ich selbst bin .
    Igitt.
    Ich sehe gern, wie du dich bewegst.
    Falsch. Ganz falsch. Ich wurde langsam wirklich wunderlich.
    Durch das Fenster sah ich, wie Mark Drury sich an die Bar setzte. Ich versuchte, ihn nicht
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