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Gestern fängt das Leben an

Gestern fängt das Leben an

Titel: Gestern fängt das Leben an
Autoren: Allison Winn Scotch
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ich war damals diejenige, die ihn verlassen hat, um mit Henry zu leben. Aber seine bevorstehende Heirat macht mir doch zu schaffen. Als würde sein Bekenntnis zu einer anderen Frau mich mit Krätze und Fäulnis behaften.
    «Meinst du, du erträgst Neuigkeiten von Jack?», hatte Ainsley mich vor zwei Tagen gefragt, als wir mit unserenaerodynamischen Kinderwagen unterwegs zum Power-Walken waren.
    «Natürlich», hatte ich geantwortet und leichthin mit der freien Hand gewedelt. «Schreibt er immer noch für den
Esquire

    «Mhm, glaub schon», erklärte sie zwischen zwei Atemzügen.
    Typisch,
dachte ich.
Typisch, dass er einen Job behält, der ihm keinen Spaß macht. Aus reiner Bequemlichkeit. Typisch, dass er den Roman nie auf die Reihe bekommen hat, den er sich und allen anderen immer wieder versprochen hat.
    «Er heiratet», sagte Ainsley unvermittelt und wischte damit sämtliche Verbitterung in mir radikal beiseite.
    Ich hätte gleich etwas antworten sollen. Wahrscheinlich hat mich die zehnsekündige Pause verraten. Aber in dieser Schockphase spulte mein Gehirn rasend schnell zurück zu unserem ersten Date: in einer Falafelbude voller Erstsemester, wo wir uns nur schreiend verständigen konnten, weil es so voll war. Dennoch hatten wir uns bereits unglaublich viel zu erzählen. Und dann kam mir unser letztes Treffen im
China Fun
in Erinnerung, bei dem wir uns aussprachen und endgültig trennten. Und obwohl ich seitdem mit Henry vollkommen glücklich bin, sehne ich mich trotzdem manchmal nach Jack, nach seiner Spontaneität, seiner Begeisterungsfähigkeit, seiner Begabung, einfach so durchs Leben zu wandeln, ohne Listen und große Pläne.
    Die Szenen meines alten Lebens spuken mir durch den Kopf. So wie im Film, wenn der Held im Sterben liegt und sein Leben nochmal an ihm vorbeizieht: die faulen Samstagvormittage, wenn Jack sich mit seinem Laptop in ein Café in der Nachbarschaft verzog, um an seinem stockendenRoman zu arbeiten, und ich fünfundvierzig Minuten himmlischen Friedens ganz für mich hatte, um Kaffee zu trinken und einfach nur Löcher in die Luft zu starren. Oder die Weihnachtsferien, ehe ich Jack kennenlernte, als Ainsley und ich eine Last-Minute-Reise nach Paris buchten und in der Silvesternacht wahllos französische Männer küssten   … Es gibt so viel in meinem früheren Leben – vor Henry und vor Katie   –, das ich manchmal schmerzlich vermisse. Und Jack ist ein Teil davon.
    «Natürlich macht es mir nichts aus!», quiekte ich atemlos, was teils unserem Tempo und teils der Neuigkeit von Jacks bevorstehender Hochzeit zuzuschreiben war. «Ich meine, das ist
sieben
Jahre her, Herrgott nochmal, eine Ewigkeit!»
    «Aber Jillian, es ist doch nicht schlimm, wenn dir das nahegeht.» Ainsley zuckte die Achseln. «Das ist doch völlig normal.»
    «Äh, nein, nein. Tut es ja gar nicht», antwortete ich schnell. «Mein Leben mit Henry und Katie ist haargenau so, wie ich es haben will. Und daran besteht kein Zweifel.»
    Wieso habe ich es Ainsley nicht einfach gesagt?,
frage ich mich jetzt, während Garlands Finger meinen Nacken kneten. Wieso habe ich es nicht einfach zugegeben und gesagt: «Ainsley, ich glaube, zwischen Henry und mir ist etwas kaputtgegangen. Wenn er mal wieder wochenlang weg ist, merke ich kaum noch einen Unterschied. Und manchmal, wenn er zu Hause ist, schaue ich irritiert zu ihm rüber und frage mich, was ich einst so attraktiv an ihm fand.»
    Wieso habe ich ihr nicht einfach erzählt, dass ich vor zwei Wochen, als Henry sonntags überraschend nach Los Angeles musste, den bestellten Babysitter nicht abgesagt habe und ganz allein ins Kino gegangen bin, um mir einedämliche Romantikkomödie mit Orlando Bloom und Kate Hudson anzusehen. Den ganzen Abend habe ich mir vorgestellt, Orlando Bloom würde kommen und mich aus meiner kriselnden Ehe retten. Ausgerechnet Orlando Bloom! Wieso habe ich Ainsley nichts von Orlando Bloom erzählt? Sie hätte die ganze Geschichte sicher in ein komisches Licht gerückt. Und wir hätten darüber gelacht.
    Aber Jacks Heirat? Das war nicht komisch. Ganz im Gegenteil. Ainsley wusste es, und ich wusste es. Und deswegen haben wir wahrscheinlich beide das Thema gewechselt und uns auf das Surren der Kinderwagen konzentriert, um endlich die letzten acht Schwangerschaftspfunde loszuwerden.
    Aber jetzt und hier, bei Eukalyptusöl, spirituellen Gesängen und Garlands magischen Händen, kann ich niemanden mehr belügen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als
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