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Flirtverdacht Roman

Flirtverdacht Roman

Titel: Flirtverdacht Roman
Autoren: Jessica Brody
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Nackte Tatsachen
    Die junge Frau in dem hautengen schwarzen Kleid und mit passenden hochhackigen Schuhen saß auf der Kante des Barhockers ganz hinten an der Theke. Sie bemühte sich sehr, unter den weiteren Gästen nicht aufzufallen an diesem Donnerstagabend. Allerdings besaß sie von Natur aus eine äußere Erscheinung, die Unscheinbarkeit so gut wie unmöglich machte.
    Und das Kleid tat sein Übriges.
    Während sie mit einer Hand fahrig an dem metallenen Trageriemen ihres schwarzen Designertäschchens herumspielte, wickelte sie sich mit der anderen Strähnen ihrer langen blonden Mähne um die Finger, als übte sie gerade eine eher seltene Häkeltechnik. Eindeutig die nervöse Angewohnheit einer Frau, die sich erst im Nachhinein zum schönen Schwan entwickelt hatte und daher nicht das gleiche Selbstbewusstsein besaß wie die von Jugend an Attraktiven.
    Ob das der Wahrheit entsprach, spielte allerdings gar keine Rolle. Jedenfalls verkörperte sie ihren Part perfekt.
    Mit einem verzagten Seufzen zog sie ein kleines silberfarbenes Handy aus der Handtasche. Ihre Finger legten sich fest um das hilflose Gerät und strangulierten es förmlich, während sie allen Mut zusammennahm und schließlich einen Blick auf das Display warf. Dass ein winziges Symbol in Form eines Briefumschlags ihre letzte Hoffnung war, erschien ihr lächerlich und traurig zugleich, aber allmählich musste sie wohl der Realität ins Auge sehen.
    Das Display war leer.
    Genau wie vor fünf Minuten, und auch schon fünf Minuten vorher. Das winzige Symbol, die mögliche Rettung vor ihrer schlimmsten Befürchtung, wollte einfach nicht erscheinen.
    Nach einem letzten suchenden Blick durch die Hotelbar legte die junge Frau das Handy auf die Theke und fand sich offenbar damit ab, dass die Person, die eigentlich auf dem Hocker neben ihr hätte sitzen sollen, nicht mehr auftaucht. Seufzend nahm sie einen Schluck von dem Pinot Noir, der bis zu diesem Moment der Niederlage unberührt vor ihr gestanden hatte.
    Mit jeder Sekunde, die verstrich, wuchs die Gewissheit, dass sie heute Abend alleine ihren Drink nehmen würde. Aber sicherlich nicht freiwillig.
    Der Mann, der dieses Geschehen vom anderen Ende der Hotelbar aus beobachtet hatte, wurde auf einmal von einem ungeheuren Selbstvertrauen durchströmt. Das Mädchen im schwarzen Kleid war ihm sofort ins Auge gefallen. Nicht nur wegen seiner beeindruckenden Schönheit und der blonden Haare (er hatte seit jeher eine Schwäche für Blondinen gehabt), sondern weil es so verloren wirkte. So zerbrechlich und liebenswert hilflos. Wie lange hatte er es nicht mehr erlebt, dass eine so schöne Frau in aller Öffentlichkeit eine solche Verletzlichkeit zeigte!
    Um ganz ehrlich zu sein, das tat richtig wohl.
    Er betrachtete den freien Hocker neben ihr. Unglaublich, dass ein lebloser Gegenstand so attraktiv wirken konnte. So einladend.
    Der Hocker flehte ihn förmlich an, sich darauf niederzulassen.
    Alle im Raum warteten darauf, dass ich etwas sagte.
    Einzig und allein deshalb war ich schließlich gekommen. Um Botschaften zu überbringen. Um mit Worten zur Rettung zu eilen.
    Diese Rolle war mir in den letzten Monaten richtig zur Gewohnheit geworden.
    Die Luft war heiß und schwül. Ein ungewöhnlich drückender Tag für New York Ende Oktober, und die Klimaanlage hatte offenbar schon vor Stunden den Geist aufgegeben. Andererseits war es auch gut möglich, dass für die kleinen Schweißperlen auf meiner Stirn nicht die hohe Luftfeuchtigkeit verantwortlich war, sondern das, was mich in diesem Raum erwartete.
    Bestimmt hätte mir die ganze Situation weniger zugesetzt, wenn ich vollkommen unparteiisch geblieben wäre. Wenn ich bereit gewesen wäre, das Urteil einfach hinzunehmen, unabhängig davon, wie es ausfiel. Aber das würde ich nicht. So sehr ich es auch wollte – es konnte mir nicht egal sein.
    Endlich sagte der uniformierte Wachmann zu meiner Linken: »Schwören Sie, die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr Ihnen Gott helfe?«
    »Ich schwöre es«, erwiderte ich, den Blick fest auf die weiße Marmorstatue mir gegenüber im Raum gerichtet. Sie war die einzige Unparteiische hier. Die Hälfte der Menschen, die mich anstarrten, wünschte sich nichts mehr, als mich scheitern zu sehen. Sie wollten zuschauen, wie ich zusammenbrach und hilflos nach Worten suchte. Die andere Hälfte dagegen erhoffte sich Rettung von mir.
    Beide Erwartungen wirkten nicht gerade beruhigend auf
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