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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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richtigen Weibertratsch. Stinkgemütlich! Meist bleibe ich über Nacht.“ Lukas heizte den Herd ein, nicht ohne Sorge wegen ihres letzten Satzes. Stinkgemütlich war in diesem Hof kein Kunststück, und draußen dunkelte es bereits. Martina hielt inne. „Ist das schön jetzt! diese Ruhe!“
    „Stille“, verbesserte er und fand es überflüssig.
    „Wenn ich mir vorstelle, daß ich morgen wieder in die Stadt muß...“
    Er nickte nur.
    „Ich bin eine Landfrau“, befand sie arglos.
    „Woran merkt man das?“
    „Weil... ich möchte für immer hier bleiben.“
    „Glauben Sie, daß Sie das aushalten?“
    „Hören Sie, ich hab’s probiert! Ich bin alle vierzehn Tage...“
    „Acht Wochen ohne Unterbrechung sind das Minimum an Probezeit.“
    „So lang bekomme ich nie Urlaub.“
    Lukas schob ein Scheit aus dem Herd und drosselte den Abzug. Das Thema gefiel ihm. Mild kam seine nächste Frage. „Können Sie allein sein?“
    „Das lernt man in der Stadt.“
    „Das lernt man auf dem Land!“
    „Ich kann oft keine Menschen mehr sehen!“
    Lukas blieb mild. „Es ist ein Unterschied, ob man keine mehr sehen kann, weil zu viele da sind, oder ob keine da sind. Sagen Sie, können Sie kochen?“
    „Ungern. Und dann schlecht. Aber Daniela und Renate...“
    „Als angehende Landfrau...“
    „Was hat das damit zu tun?“
    „Nun, die Beziehung zum Land beginnt im Garten. Bei Kräutern, Gemüse, Früchten...“
    „Sie sind ein ulkiger Kauz. Wird man so in Schottland?“
    Der Blick, den sie ihm gönnte, verriet, daß sie im Augenblick nichts mit ihm anzufangen wußte. Ein Scherz schien angebracht. „Sagen Sie mal, hätten sie vielleicht die Güte mir — nur zu Ihrer Einübung — draußen etwas Schnittlauch...? Nein, lassen Sie! Unbekannte Kräuter im Halbdunkel, — das wäre eine Zumutung! Ich hol sie selber.“
    Nach Frischluft und frischem Schnittlauchduft fand er die Atmosphäre verändert. Martina saß nachdenklich hinter einem Glas Drambuie, die Flasche, sein Mitbringsel für Daniela und Renate, vor sich auf dem Tisch.
    „Slangevar!“ rief er ihr entgegen.
    „Was bitte?“
    „Sie trinken schottischen Whiskylikör und ich sage auf gälisch Prost!“
    Sie trank und sah ihm zu, wie er den Schnittlauch kleinschnitt. „Sie sind ein richtiger Hausmann! Hätt ich nicht gedacht.“
    „Ich habe ein Jahr lang meine kranke Frau gepflegt, da lernt man so was.“ Das hatte er ihr eigentlich nicht sagen wollen. Mit der Pfanne, in der sich geschnipselte Kartoffeln befanden, ging er zum Herd. Sie sah ihm zu und fragte: „Wie haben Sie die beiden kennengelernt, Daniela und Renate?“
    „Wir kannten uns schon immer.“
    „Das muß eine echt starke Bindung sein. Habt ihr euch immer geschrieben? Haben die beiden Sie hertelefoniert, damit sie ihre Weltreise antreten können? Wo wohnen Sie überhaupt? Hier hüten Sie ja nur das Haus. Kommen Sie da überhaupt zum Arbeiten? Oder haben Sie’s nicht mehr nötig? Wo gehen Sie hin, wenn die beiden zurückkommen?“
    Martinas Neugier war von ihren weiblichen Merkmalen entschieden das am stärksten entwickelte. Lukas ließ sich Zeit. Er schlug drei Eier über die Bratkartoffeln, streute den Schnittlauch darüber und bot ihr davon an.
    „Danke. Ich hab schon heut mittag warm gegessen. Ich muß aufpassen.“
    Während er sich auftischte, wiederholte sie ihre vielen Fragen, und weil ihm sein Essen schmeckte, antwortete er im Telegrammstil.
    Ihr Ausdruck verriet, daß sie sich nicht ausschließlich mit dem beschäftigte, was er sagte, wohl aber mit ihm, denn sie fing wieder von vorn an, bei der unwahrscheinlich starken Beziehung, so was sei doch irre okay. Nach Jahren seine Zelte abbrechen, um zurückzukehren, — das würde sie nicht tun. Für niemanden. Ehrlich. Dazu sei sie einfach zu cool. Gefühle zu zeigen bedeute hereinzufallen. Aber es müsse echt toll sein, wenn man es könnte.
    Auf einen Zug leerte sie ihr Glas und schenkte sich nach. Lukas machte keinen Versuch, sich zu erklären. Hinter ihrer Sehnsucht nach Gefühl, nach der Fähigkeit, sich für einen Menschen einzusetzen, spekulierte der Verstand. Sie erwartete vom Schicksal dieselbe bevorzugte Behandlung wie an der Tankstelle, war es gewohnt, verwöhnt zu werden. Ohne Gegenleistung. Was also hätte er ihr sagen sollen unter der Zuglampe im gemütlichen Winkel der Eckbank?
    Sie romantisiert mich für etwas, das ich nicht getan habe! Sie bewundert ein Risiko, das für mich keines war, — bezeichnend für ihre
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