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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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Sättigungsanlage. Langmähnig, langbeinig, langwimperig und vermutlich auch langweilig, weil keine Ausstrahlung durch die laute Aufmachung dringt, steht eine ungefähr dreißigjährige Siebzehnjährige in der bäuerlichen Umgebung.
    „Grüß Gott“, antwortet Lukas.
    Zu Daniela und Renate möchte sie und gebärdet sich launisch, daß sie nicht da sind, wo sie eigens rausgefahren ist, aus der Stadt.
    Er berichtet von dem alten Reise wünsch der beiden, den zu verwirklichen sich plötzlich ergeben habe und empfiehlt, in acht Wochen wieder vorbeizukommen.
    „Wieso weiß ich das nicht?“ Fassungslos schaut sie ihn an.
    „Sagen Sie mal, Sie kennen mich wohl nicht?“
    Der Hofhüter schüttelt den Kopf.
    Sie auch. „Ist ja toll! Und Sie haben mich nie gesehen?“
    Obwohl sie aussieht, wie alle, die aussehen wollen wie alle, kann er guten Gewissens weiterschütteln, beläßt es aber nicht dabei. Unzeitgemäße Manieren drängen ihn zu fragen, wo er sie denn wohl gesehen haben sollte.
    „Na Sie machen mir Spaß!“ Mit Aplomb stemmt sie eine Hand in die Hüfte. „Im Fernsehen natürlich.“
    Da muß er weiterfragen. Ob sie Schauspielerin sei.
    Ungnädig schüttelt sie die Mähne. „Ich moderiere. Und habe meine eigene Sendereihe.“
    Er drückt die Hand, die sie ihm leutselig entgegenstreckt, eine sehr knochige Hand, beherrscht von einem Daumen, der sich wie eine Leihgabe des anderen Geschlechts ausnimmt. „Ich hüte den Hof“, sagt er und lädt sie mit einer Bewegung ein, auf der Hausbank Platz zu nehmen.
    Sie sitzt schon; Parfum verschmutzt die Landluft.
    Lukas weiß nicht, wie sie zu Daniela und Renate steht. Irgend etwas haben sie gesagt, von einer jungen Frau. Um nichts falsch zu machen, produziert er ein Lächeln und macht Konversation. Sie sei es wohl gewohnt, erkannt zu werden? Die Frage belebt sie. Sie kennt es gar nicht anders, grabscht nach einer Zigarette; er überlegt, wie sie wohl in Wirklichkeit aussieht, diese Typlarve, die sich von ihresgleichen unterscheidet wie ein Wagen des selben Modells vom andern. Durch Farbe und ein paar abweichende Extras. In ihrem Fall Haar, viel Haar, das ein paar Jahre verdeckt.
    Ob sie ihren Beruf liebe, konversiert er weiter.
    „Überhaupt nicht. Ich genieße nur die Vorteile.“ In Damen-Klischee-Haltung zieht sie an der Zigarette und lächelt verwöhnt, „wo ich hinkomme, werde ich bevorzugt bedient, man berät mich, gibt mir das Beste, alle sind freundlich, überall bekomme ich Platz, einen Tisch, einen Stuhl, sogar eine Parklücke. Okay?“
    Der Männchenmaler in ihm studiert das Gesicht: Entweder ist sie auf eine unfeine Art hübsch oder umgekehrt!
    Seine nächste Frage gilt der Prominenz: Wenn sie mal mit jemand zum Essen gehen möchte, ohne daß es gleich in den Zeitungen steht...
    Verständnislos zuckt sie mit den eckigen Schultern. „Warum soll’s nicht drinsteh’n? Ist doch Publicity.“
    Da tut Lukas etwas, das er gar nicht an sich mag: Er kontert mit Bildung. „Es gibt ein Sprichwort“, sagt er und zitiert. „Wer gut verborgen war, hat gut gelebt.“
    Diesmal hebt sie mit den Schultern auch die Augenbrauen, zwei recht wohlgeratene Akzente. „Okay, Geschmackssache. Mein Fall wär’s nicht.“
    Weiter fragt er, was sie macht, wenn die Fans sie einklemmen, daß sie um ihre Kleider bangen muß? Ihr Auto beschädigen, bis jeder sein Autogramm hat? Wenn Wildfremde sie mit Bettelbriefen bombardieren, sie anquatschen, wenn sie in Ruhe ihr Steak essen will, sie beim Vornamen rufen, ihr auf die Schulter klopfen...
    Seine Aufzählung amüsiert sie. „Wo haben sie denn das gelesen? Ich bin doch kein Showstar.“
    „Ich auch nicht!“ Seine Antwort ärgert ihn. Was red ich da?
    Für einen Showstar habe sie ihn nicht gehalten, höhnt sie. Mit nicht zu übersehenden Falten.
    Jetzt kann er den Mund nicht halten und sagt’s ihr: Daß er solchen Rummel nur zu gut kennt, weil er in England ein bekannter, für seinen Geschmack zu bekannter Karikaturist ist, dessen Männchen den Briten vertraut sind, wie Buckingham Palace, aus Zeitungen, Werbeprospekten, aus seinen Büchern und, zusammen mit ihm, aus seiner Fernsehreihe.
    Sie antwortet nicht gleich. Aufrecht auf der Kante der Hausbank sitzend, das großflächige, daher telegene Gesicht ihm voll zugewandt, sieht sie ihn an, mit dem fernen Blick eines ratenden Quizkandidaten. „Heißen Sie Lukas? Und kommen aus Schottland?“
    Er bestätigt mit vollem Namen.
    Ihr Blick schaltet um, von Arroganz auf Interesse. Bei
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