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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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zur Bewußtseinserweiterung entschlossen, daß man’s, wie gesagt, riecht. Dazwischen Vorbild-Nachhüpfer, in bestimmte Zuckungsabläufe vertieft, die sie nimmermüde wiederholen, teils mit wechselndem Ausdruck, lasziv, cool, Sonnenkind, vampirhaft — Jungneurotiker auf Profilsuche.
    Aua!
    Was ist bei Opa in der rechten Hüfte? Hat er zu scharf gezuckt? Dabei falsch geatmet? Er probiert’s nochmal, ruckt lässig, sportlich, — da schießt’s in die andere, daß er innehält mit tantaleskem Ausdruck. Dem Jungbrunnen hat’s das Wasser abgedreht!
    Recht geschieht’s dir, alter Dackel! Man soll halt nicht! Hätte von vornherein nicht sollen. Aber bei der Zudringlichkeit... „Den schau an!“ Ein stämmiger Bursche, friesenblond, in glänzendem Blouson deutet mit schwerer Schmiedhand auf den Opa, der im Wechsellicht steht, wie eine maskierte antike Statue.
    „Dem ist ein Pleuel verreckt!“ befindet ein anderer aus dem Sprachschatz des Motorschlossers.
    Martina zuckt weiter, noch unwissend und cool.
    Der Stämmige kommt näher. „Ist Ihnen was?“
    „Meine alte Skiverletzung!“ stöhnt die Statue.
    Verständnisvolle Männerblicke lassen Lukas grinsen hinter seinem Schmerz. Ein tollkühner Abfahrer mit schwerer Sturzerfahrung ist er plötzlich und bei tollkühnen Abfahrten Respektsperson. Dem Pistenfreund muß geholfen werden. Ehrensache.
    Behutsam nähern sich die schweren Hände, tasten nach Griffansätzen, wie ehedem der Dienstmann am Schrankkoffer. Mit mannhaft leisem Stöhnen toleriert der Opa alle Bemühungen um seine geschmerzte Person.
    „Wie nehmen wir ihn denn?“ überlegen die Retter.
    Allem Abstand zwischen den Generationen zum Trotz, ist der Opa zentrale Figur. Martina zuckt herbei. Von einem der Pistenfreunde eingeweiht, bleibt sie echt cool, die Störung beim Vergnügen überwiegt Partnerschaftsgefühle.
    Geschieht mir recht. Oh, tut das weh!
    „Jetzt tut’s weh. Anders geht’s net“, entscheidet der Stämmige, den sie Maxi nennen. Hilfreiche Hände verschränken sich zum Erste-Hilfe-Sitz, die Ankündigung bestätigt sich sogleich, der Opa jault, mit Statuenstarre wehrt er sich gegen jede Biegung und kehrt mit den Füßen voraus in die Erwachsenen weit zurück. Martina hält die Autotür auf, die Pistenfreunde fädeln ihn ein, vorwärts, diagonal. Vergeblich. Opa bleibt Sperrgut.
    „Moment. Das hab’n mir gleich!“
    So weit er Stimmen überhaupt noch unterscheidet, könnte das der Maxi gesagt haben. Helferhände lehnen den unfreiwilligen Tänzer neben die … eiwillige Feuerwehr und umsorgen ihn, wie in der Pause vor der zwölften Runde. Martina kommt herüber. „Passiert dir das öfter?“
    Nach schmerzlicher Ewigkeit blitzen Scheinwerfer auf, ein nagelnder Motor synkopiert den Rhythmus aus dem Hades, die Arme eines schwarzen Riesen senken sich aus der Nacht herab.
    „Der Maxi mit’m Frontlader. Die höchste Idee!“ jubelt einer, angesichts der wannenartigen Schaufel vor dem Traktor. Drinnen liegt ein Ballen Torf, den sie aufschneiden und fürsorglich verteilen
    „So hast’s weicher!“
    Bis an die Statue schiebt sich die Ladewanne heran, die stählernen Arme senken sie noch ein wenig. Fast schmerzfrei kann Opa hinüberkippen ins torfige Bett, das sich zart-hydraulisch über aller Köpfe hebt, zur gleichsam kombinierten Heim- und Himmelfahrt.
    Es sollte eine Höllenfahrt werden.
    Mit steigender Geschwindigkeit hacken Teufel in seine Taille, der Torf unter ihm rutscht weg, wandert an den Seiten nach oben, schwappt über den Rand; die Wanne wird zum Prokrustesbett.
    Yogis können Schmerz durch Ablenkung lindern.
    Statt auf den nächsten Stoß zu warten, konzentriert Lukas sich weg. Ein neuer Stoß, ein infernalischer Stich, der letzte Torf hat ihn verlassen. Aber Gedanken sind doch Kräfte. Er kann’s nicht fassen, in der blanken Wanne, wo’s ihn hebt und senkt, wie auf einer Nockenwelle. Erst als er wieder wartet, sich nicht mehr konzentriert, merkt er’s — der Schmerz ist weg.
    Wieso das?
    Noch steht der durch Rütteltherapie Genesene unter dem Schock seiner Heilung und merkt, die herrliche Schmerzfreiheit ist hier völlig fehl am Platz. Darf er Maxi enttäuschen, der die Freundin stehen ließ, um ihm zu helfen? Wäre das nicht sowohl unfreundlich als auch unvorsichtig? Bis der Stämmige begriffen hätte, Erfinder eines neuen Heilverfahrens zu sein, läge sein Testsubjekt von ihm selbst arg zugerichtet, vermutlich auf der Intensivstation.
    War doch gut so! freut sich Lukas in
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