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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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Daniela im Horoskopvergleich günstige Verhandlungsdaten errechnet. Vor allem aber hat sie Renates Partnerentscheidung astrologisch untermauert, und der Brand hat sie beschleunigt. Nicht zuletzt auch Detlefs Reaktion.
    Den inneren Anstoß zur Einsicht verdankt sie nach eigenen Worten einem Satz Danielas: „Ich glaub’, du redest dir Lukas aus Gewohnheit ein. Er ist für dich ein verschlampter Wunsch. Weil er dir immer wieder entgleitet. Das würde auch so bleiben.“
    „Ich rutsche mir manchmal selber durch die Finger“, hat er bestätigt. „Aber ich bleibe ja in der Nähe.“ Und zärtlich hat er sie in die Arme genommen. Ohne Komplikationen. Beiderseits. Bis zum Klingeln des Telefons und vertrautem schottischem Akzent. Colin ist gelandet und wird rechtzeitig da sein.
    Märchenkönigswetter überstrahlte den Wettkampftag. Pipeband und Tanzgruppe, die in der Kreisstadt untergebracht waren, steckten mit dem Omnibus in der Autokolonne zur eingezäunten Wiese am Waldrand. Weithin schallende Blasmusik beförderte das Motorbrummen zum Generalbaß, ein Bierzelt bauschte sich auf dem Grün, weiß-blau gestreift, wie eine riesige Sträflingsjacke, eine Hühnerbraterei ließ krokantfarbene Rümpfe sich knusprig drehen, Steckerlfische entfalteten über Holzkohlefeuer ihr unverwechselbares Aroma, das sich wie ein Duftausweis ins Haar der Besucher hängt. Der Bürgermeister, im Amtseifer unsensibel, schob den durstigen britischen Konsul an der mobilen Eis- und Getränkediele vorbei zur Ehrentribüne, die ein Sägewerksbesitzer gemeinnützigerweise hatte aufstellen lassen, weil er privat bauen will. Doch Freude auf die bevorstehende Gaudi überwog das Profitdenken schon durch die Zahl der Besucher so eindeutig, daß es lustig werden mußte.
    Der Aufmarsch an Einheimischen in Tracht ließ nur einen Schluß zu: Die Höfe wurden heute von minderjährigen Kuhsittern bewacht. Bauern mit gefältelten Leinenhemden unter der Jacke, Bäuerinnen mit Schultertuch und Blumen im Mieder stellten sich rings um den Platz auf. Zugezogene, wie Konsul Donicke, Kettenladen-Lissem, das Arztpaar vom Schlöglhof, sonnten ihre manikürte Ländlichkeit auf der Ehrentribüne, ln der ersten Reihe sprachen Renate und Detlef angeregt mit dem Kreisbaumeister, während sich Daniela um dessen Frau annahm. Die Masse aber stellte die Brauchtumsschickeria, parfumstarke Dirndldamen mit Hund und Brillanten, Etagengutsbesitzer, Gamsbärte auf den Hüten, ausladend wie alte Linden, selbstgefällige Siegelringträger in Trachtenanzügen, jene einheimischen und zugereisten Städter, die auf sämtlichen Leonhardi-Ritten, Fuchsjagden und Kirchweihen die Patina des Ländlichen gleichsam mit Hochglanzspray überziehen.
    Lukas’ Verleger, Galerist und Chefredakteur erklommen die Ehrentribüne, der unvermeidliche Abgeordnete Schnuckchen samt Gattin Lisbeth heute nur mit Kinderpopodekolleté, die beiden Profis des Gottvertrauens, Pfarrer und Heilpraktiker, Martinas Freundin Lexa mit dem Kulturreferenten. Ellen lag noch im Kreiskrankenhaus.
    In der Arena nahm sich ein Trachtenvereinsmeier vergeblich wichtig. Nichts deutete auf baldigen Beginn der Veranstaltung hin, es sah eher schottisch-unterorganisiert aus, in Deutschland ein erholsames Bild, wie Lukas bei Alois und den Seinen feststellte. Die sehr sauber spielende Blaskapelle bot einen Zwiefachen, Reporter blitzten Prominenz, Fernsehmenschen mißbrauchten das Publikum, indem sie Kameras willkürlich auf einzelne richteten, ohne zu fragen, ob es ihnen angenehm ¿ei — der Fernsehzuschauer hat ja ein Recht auf Information, auch wenn nachher die Ehefrau ihren Mann mit Freundin auf dem Bildschirm sieht — , ein Eifriger ließ vorsorglich Zuschauer auf Zeichen klatschen oder lachen. Mittelpunkt des Nichtgeschehens aber war, im Dirndl mit Kropfbandl, die Fernsehbäuerin. In reichberingter Hand, mit gewalttätigem Daumen hielt sie das Zepter der Lautsprechermacht, den Priaps an der Schnur vor ihre grellen Lippen und konferierte die Pause.
    Als ein Kameramann sie vor die Linse nahm, kletterte der Abgeordnete Schnuckchen von der Ehrentribüne, eilte ihr entgegen und begrüßte sie so lange, bis die Schärfe auf seine Glätte eingestellt war. Dann fing er noch einmal von vorn an. Doch in diesem Augenblick zog die Pipeband mit ihrer Quintenmusik alle Objektive ab. In ärmellosen Unterhemden zu wippenden Kilts marschierten die schottischen Wettkämpfer ein. Ihnen folgten blitzsauber, in weißen Hemden, Lederhosen und bestickten
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