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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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Hosenträgern, die Hiesigen zu einem Marsch der Blaskapelle in zackigem Gleichschritt. Dafür hatte wohl der Trachtenvereinsmeier gesorgt. Reste von Militanz halten sich bekanntlich hinter Folklore versteckt. Da ist das Martialische bei den Schotten offener. Nach den Wettkämpfen marschierten die Dudelsackbläser mit ihren dreist synkopierenden Trommeln hinter dem Tambourjongleur vor die Ehrentribüne, professionell wie zum Operettenfinale.
    „Da bist du ja endlich! „ Martina hatte ihren Festredner bei den Bauern entdeckt. „Du kannst gleich anfangen. Ich stell dich vor, okay?“
    Ihr Plan scheiterte an schottischem Zeremoniensinn. Die Pipeband hatte sich der Ehrentribüne gegenüber aufgestellt und blies eine beschwingte Weise, die den Einzug der Tanzgruppe untermalte und vor allem bei den Tänzerinnen in ihren weißen Kleidern mit kariertem Tuch an einer Schulter, ganze Kombinationen lebensfroher Schritte auslöste, die, von ihren männlichen Landsleuten mit jodlerähnlichen Juchzern beantwortet, das Publikum zu rhythmischem Beifall veranlaßte, worauf, was ursprünglich ebensowenig vorgesehen war, auch die hiesige Tanzgruppe einzog und das, zur allgemeinen Gaudi, mit Dudelsackbegleitung. Die Verfremdung gab dem Auftritt eine hintergründige Dimension.
    „Die Spiele sind eröffnet!“ sprach der britische Konsul während einer winzigen Pause in Martinas Mikrophon.
    Alois deutete in die letzte Lücke auf der Ehrentribüne.
    „Kimmt der Graf net?“
    Die Antwort blieb Lukas schuldig. Martina hatte ihn angekündigt. Er beugte sich unter einem Fichtenstämmchen der Einzäunung durch und schritt, von Beifall getragen über den grünen Plan zum Standmikrophon, wo sie ihn erwartete. Schon sein Räuspern, um die Stimme frei zu machen, löste Beifall aus. Es hörte sich an, als habe er soeben die Schallmauer durchbrochen. Die Laune übertrug sich, die rosigen Gesichter der Pipeband gegenüber stimmten ihn unbekümmert, er vergaß vorbereitete Sätze und sprach frei. Beginnend mit Vergleichen zwischen den beiden Stämmen keltischer Herkunft, überschritt er Limes und Hadrianswall zu einem Geschichtsbild von etruskischer Verschwommenheit, wurde mit Dudelsack und Zither wieder konkreter und kam von den freien Knien, über die Betonung des Sitzes der Manneskraft durch Hosentürl und Sporran, wie das schottische Feigenblatt genannt wird, zu den in der übrigen Welt unbekannten Sportarten, in denen es heute sich zu messen gelte.
    „Aufi gehts!“ rief Martina dialektunsicher in den Beifall, das Kräftemessen der Hochlandgockel begann. Von einem Zettel ablesend, um was es sich jeweils handelte, kommentierte die Fernsehbäuerin das Geschehen lehrfilmmäßig, indem sie das aussprach, was sie und jeder am Platz sowieso sahen.
    „Jetzt drücken beide mit aller Kraft.“
    Eine Hand von hinten auf seine Schulter gelegt, ließ bei Lukas den inneren Computer schnurren. Diese wohlerzogene Art von Berührung kam ihm bekannt vor. Tini und Lipi im Hintergrund lächelten zufrieden. Ihre Überraschung war gelungen: Vor ihm stand Marilou, sein Seitensprung in den Gotha eins, das Prinzeßchen mit dem diskreten Hang zu Kunst und Abenteuer. Nach Lukas’ Vorstellung bei Mamachen war sie seinerzeit auf Familientournee geschickt worden, von. Schloß zu Schloß, um den Namen vor Untergang im Bürgertum zu bewahren. Marilou, dicklich, alkoholverdächtig, lächelte ihn an. „Grüß dich. Du machst ja tolle Sachen hier.“
    Schon damals hatte sie ihn nicht verstanden, als sie ihn zum Raubritter ihrer Unschuld schlug. Ohne Durchlaucht-Mamachen hätte ihre gemeingefährliche Fruchtbarkeit die Umwelt mit unglücklichen Dornbergs verschmutzt. Liefern doch Conténance-Familien für die musischere Daseinsweise selten passenden Nachwuchs. Das hatte Mamachen gewußt. Mamachen war sein Schutzengel gewesen und inzwischen verstorben, erfuhr er. Marilous standesgemäßes Eheunglück hielt durch Haltung weiter an, verrieten Ausstrahlung und Blick. Lukas fiel auf, wie wenig ihm zu ihr einfiel. Jeder Ansatz gerann zu Konversation. Daniela las es belustigt an seinen Bewegungen ab. Nickend sah er an Marilou vorbei.
    Donicke winkte, um bemerkt zu werden, das Arztpaar grüßte, Verleger, Galerist, Chefredakteur, Pfarrer, Heilpraktiker, Kulturreferent, Lexa, der Kölner Brauchtumspfleger, Abgeordneter Schnuckchen und die aromastarke Lisbeth, — er entschuldigte sich, einige Hände schütteln zu müssen und begann beim Regionalgrafenpaar.
    „Druckt’s o!“
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