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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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jedesmal „Hoppla!“
    Brachte die Kraft die Sympathien voran, trennten gewisse Tänze Welten. Die Quintenmusik des Dudelsacks, neben dem christlich-braven Dreiklang ungebärdig heidnisch, verzog Gesichtsmuskeln zu verständnislosem Ausdruck, und der berühmte Sword Dance, ein kompliziertes Hüpfen über ein Kreuz aus Schwert und Scheide, wirkte neben dem treuherzigen Schuhplattler schon durch die Haltung des Tänzers ins Höfische entrückt, daß selbst auf der Ehrentribüne nur wenig Wohlwollen zu sehen war. Tini und Daniela lächelten , nicht jedoch der britische Konsul. Mit dem Herzen vertritt er das andere Königreich.
    Doch beim Gruppentanz holten die Gäste alle Sympathien zurück. Sie bezogen die einheimischen Tänzer mit ein, die sich schnell zurechtfanden, und die Zuschauer klatschten im Takt mit. Das Stammestreffen gewann Eigenleben. Adlerflaum und Sporran wippten um die Wette, Dirndlröcke hoben sich beim Drehen, während die sieben Meter Stoff schweren Kilts nur den Radius des Saums erweiterten, alle zeigten stramme Waden und gestandene Zufriedenheit mit der eigenen Art.
    Zur großen Verbrüderung entwickelte sich das abschließende Tauziehen. Die anfeuernden Urlaute beider Seiten steckten nicht nur die Zuschauer an. Gelächterumbrandet plagten sich die Wettkämpfer, bis sie, von innen geschüttelt, das Seil losließen und nach hinten fielen. Über den Lachorkan hinweg kommentierte Martina, ohne das geringste Vibrieren von Heiterkeit in der Stimme: „Jetzt sitzen alle am Boden!“

    Heute hat das Kreisblatt sogar eine Schlagzeile: britischer konsul verprügelt!
    Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten, wenn sie zünden. Das erhöht den Straßenverkauf, da möchte jeder Genaueres wissen, und der Mann im Hintergrund, ohne den das nicht geschehen wäre, wird ins Zwielicht gerückt, wo er bleibt, machtlos für vierundzwanzig Stunden, bis eine griffigere Hysterie Eifersuchtstragödie im millionen-jet — putzfrau mit besenstiel missbraucht — minderjährige erwürgt sexgangster in der folterhöhle oder ähnlich Gewaltvolles ihn verschwinden lassen, als wäre er nie dagewesen.
    Die Schauplätze des Geschehens halten sich länger. Sind sie erreichbar, steigt der Umsatz. Für den Unterwirt trifft das zu. Wie viele Dorfgasthäuser gibt es schon, in denen ein britischer Konsul verprügelt wurde?
    Auf dem Bühlhof haben sie das von Lukas eingeführte große Frühstück beibehalten. Unter Bellas Gebell ist draußen der gelbe Wagen vorgefahren, Detlef hat die Post entgegengenommen und übermäßig erheitert die Schlagzeile gezeigt.
    „Du lachst wie ein Schotte nach der Schlacht bei Bannockburn!“ hat Lukas beanstandet.
    „Ich sag euch nachher warum“, hat Detlef erklärt.
    Renate ist erschrocken, Daniela hat die Schlagzeile noch unnötiger gefunden als den Inhalt, Lukas beides normal. Und er hat alle Fragen, was am Verprügeln eines Konsuls normal sei, mit einem Spruch beantwortet: „Engländer sind Bewohner einer Nordseeinsel, die von Schotten regiert wird.“ Mit dem Zusatz „und sei’s nur im Suff. Auch hier die keltische Parallele. Insofern als Abschluß unentbehrlich.“
    Der weißhaarige Gentleman ist selber schuld gewesen. Nach Ehrung sämtlicher Sieger sind alle im Bierzelt beisammengesessen, Teilnehmer, Ehrengäste, Zuschauer. Hoch ist’s hergegangen. Marilou hat zwei ganze Maß getrunken. Donicke ist der Kreislauf weggerutscht und Gattin Eifrida hat ihn nach Hause gefahren, per Handschlag haben Chefredakteur und Detlef den Kauf des Messnerhofs besiegelt, Martina hat Interviews gemacht, Frau Schmidhuber hat in unregelmäßigen Abständen helle Juchzer ausgestoßen, mitten unter den Schotten, Maxi und seine Agnes sind still beim Pfarrer gesessen. Sie werden demnächst heiraten. Maxi hat’s Lukas vertraulich gesagt, kurz darauf dem Pfarrer. Mit forschendem Blick, um auch seinerseits etwas Vertrauliches in dieser Richtung zu erfahren. Lukas hat gelächelt. Da ist der Pacher-Pepi ins Zelt gestürmt, um die Eltern zu holen, weil die Rosa grad einen Buben bekommen hat. Pfarrer und Lukas haben zurückgerechnet wegen der Reihenfolge der Ereignisse, und siehe da, der geistliche Herr hat des Trostes bedurft.
    „So lang nicht die Enkel der Braut ihr den Schleier tragen, sollten Sie zufrieden sein.“
    Bei dem aufrechten Mann, der seiner Gemeinde Bescheid sagt, wenn er predigt und nicht nur Herz-Jesulein-Logik abspult, hat der scherzhafte Zuspruch eine Schleuse geöffnet und Lukas zum Beichtvater
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