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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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kann Ihnen sagen, das ist ein hartes Los! Wie sie ihn gebracht und gefragt haben: Ist das Ihr Mann? Zwei Jahre waren wir erst verheiratet. Ich kann Ihnen sagen, das ist ein hartes Los! Wo wir so gut miteinander ausgekommen sind.“
    Dickes Schicksal bedarf nur dünner W orte. „Aber Sie sind noch jung!“
    „Ich bin jetzt sechsundzwanzig. Er war bei der Post.“
    Lukas nahm das als Lichtblick und verpackte Trost in ein Kompliment. „Sie finden wieder einen Mann!“
    „Das fehlt mir noch!“ Drohend hielt sie eine Kehrschaufel in der Hand. „Was glauben Sie, was ich in den vier Jahren erlebt hab’! Alle waren’s verheiratet. Die Saubärn! Als junge Witwe ist man Freiwild.“ Hier hätte ein „Ach“ wie Hohn geklungen. Blick genügte.
    „Was glauben Sie, was bei mir das Telefon geht! Mitten in der Nacht. Da schnaufen’s hinein: Du brauchst doch Sex. Du bist ja noch so jung. — Die Saubärn! Einen hab ich gehabt, der hat mir gefallen. Hat sich auch gut mit meiner Angela verstanden. Und da ruft auf einmal seine Frau an. Beinah hätt’ ich noch ein Kind gekriegt. Der Saubär! Nein. Ich heirat’ nimmer! Bin doch net blöd. Schaun’s, ich hab meine Rente, meine Angela, mein Auto, meine Wohnung — dreieinhalb Zimmer — meinen Farbfernseher, und wenn ich Appetit hab’, eß’ ich à la carte! Hab ich net recht?“
    Der Satz bot einen guten Abschluß. Vorläufig.
    Frau Schmidhuber holte die Teppiche herein, legte jeden auf seinen Platz und nahm ihnen mit dem Staubsauger energisch die Frische. Dann konnte Lukas telefonieren. In der Stadt, von einem Unzuständigen zum andern weitergeleitet, erfuhr er schließlich doch, was er wissen wollte: Daß Kisten aus Schottland eingetroffen waren.
    Nach Lektüre der Zeitung in Danielas Atelier, traf er die Witwe in der Küche wieder. Sie nahm gerade das saubere und trockene Frühstücksgeschirr aus dem Drahtgestell und weichte es im Spülbecken in Chemikalien ein.
    Noch sagte er nichts. Erst ihren Versuch, das Porzellan unabgeschwenkt, voll kleiner Seifenblasen abzutrocknen, vereitelte er dezent mit der Geschichte vom schottischen Herzog. Unvermittelt zog sie die Gummihandschuhe aus. „Um elf mach ich mir immer mein’ Kaffee und rauch meine Zigarette. Wollen’s auch eine Tasse?“
    „Gern.“
    „Das ist nett. Frau Daniela trinkt auch immer mit. Ich mach’ ihn aber schon stark!“
    Sie stellte die zwei doppelt gespülten Tassen auf den Tisch. „Fräulein Martina war hier.“
    Zwei Teller, zwei Eierbecher im Drahtgestell und zwei Betten, die sie vermutlich schon gemacht hatte, veranlaßten ihn, die Frage zu bejahen. „Sie kam gestern. Sie hat hier ja ihr Zimmer.“
    Mit der Zigarette im Mund werkelte die Witwe an der Kaffeemaschine. „Die ist ständig Hausgast, kommt wann sie will. Dabei paßt sie überhaupt nicht aufs Land. Soll sich lieber um ihr Kind kümmern!“
    Im Umgang mit Saubären erfahren, verstand sie sein Schweigen. Sie wechselte Thema und Ton. „Frau Renate hat mir schon viel von Ihnen erzählt.“
    „So?“
    „Ja. Daß Sie ein alter Freund sind. Auch von Frau Daniela. Und daß Sie zeichnen, malen und Bücher machen.“
    Er nickte zu allem. Auch zum Duft des Kaffees, den sie ihm einschenkte. Deutlich langsamer setzte sie sich, schlug ein Bein über das andere, trennte mit einem Lungenzug die Arbeit vom Privaten, das sie nun zelebrierte, feierlich bis in den Tonfall.
    „Wissen’s, die Frau Daniela und die Frau Renate, — das sind Damen. Ich bin gern hier. Ich hab schon viel gelernt. Zwischen uns, das ist eine richtig zwischenmenschliche Beziehung.“
    Andächtig rührte Lukas in der Tasse.
    „Frau Daniela hat selbst keine Kinder. Aber Frau Renate. Das wissen Sie ja.“
    Seinem Nicken folgte der Ausbruch: „Und so ein Pech!“
    Die Brut seines Nachfolge-Untermieters in Renates Elternhaus hatte er bei seinem letzten Besuch kennengelernt. Ein Junge und ein Mädchen, so viel er sich erinnerte.
    Beide mußten mittlerweile das Wähleralter erreicht haben und sich für erwachsen halten. Er sollte alles erfahren.
    „Marion ist abgehauen! Stellen Sie sich das vor! Nach Indien. Zu einer Sekte, wo jeder mit jedem... Mit den ungewaschenen Saubärn! Und heroinsüchtig soll sie sein. Stellen Sie sich das vor! Diese Schande. Aber der Alexander, der ist in Ordnung. Der hat sein Abitur und ist aktiv bei der Bundeswehr.“ Lukas schüttelte den Kopf, als habe er Heros mit Heroin verwechselt. Beides hatte Renate nicht verdient und ihm auch nicht erzählt, an dem
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