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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel
Autoren: Michael Köhlmeier
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Gottes Fingern langsam das Angesicht einer Frau aus der Erde entstand.
    Als nächstes nahm sich Gott die Hände vor.
    »Nachdem ihr euch in die Augen geblickt habt, werdet ihr euch berühren wollen. Deshalb mache ich als zweites die Hände«, sagte er.
    Zarte, feingliedrige Hände machte Gott seinem neuen Geschöpf.
    »Ich will deiner Frau einen Namen geben«, sagte Gott.
    Adam nickte.
    »Ich will, daß sie Eva heißt.«
    Das war Adam recht.
    Nun kam der Körper von Eva dran. Der Körper mußte von innen heraus aufgebaut werden. Adam hatte keine Ahnung, wie ein menschlicher Körper aufgebaut ist, er wußte nur, wie er von außen aussieht, weil er manchmal an seinem eigenen Körper hinabgesehen hatte.
    Gott stellte zuerst das Knochengerüst auf, und dann hängte er die Innereien daran, die Leber, das Herz, die Lunge, die Gedärme.
    Da war dann Adam nicht mehr so entzückt.
    Er sagte zu Gott: »Du brauchst gar nicht weiterzubauen, ich werde dieses Wesen nie anrühren, es ekelt mich davor. Ich will das nicht. Du hast mir versprochen, du baust mir eine Frau. Das da will ich nicht haben.«
    Er stand auf, drehte Gott den Rücken zu und ging.
    Gottes Geduld war auf eine harte Probe gestellt. Aber Gott war geduldig mit seinem Wesen, er liebte Adam, und er überlegte. Er rief den Schlaf, befahl ihm, er solle in Adam fahren.
    Als Adam bewußtlos vor ihm lag, entschloß sich Gott, Adams neue Gefährtin aus dessen Rippen zu schneiden. Und was geschah mit der unfertigen Eva, der ersten Eva? Auf deren Leib noch keine Haut war? Gott vergaß sie. Sie versteckte sich im Gebüsch, das so üppig im Garten Eden wuchs.
    Gott betrachtete Adam, wie er dalag und schlief. Und da griff er in Adams Seite, nahm eine Rippe heraus und schuf aus dieser Rippe die Frau. Weil dieser Teil dem Herzen am nächsten liegt.
    Am nächsten Tag wachte Adam auf. Er sah vor sich Eva, und sie war wunderschön. Er war zufrieden. Er führte sie durch den Garten Eden, zeigte ihr das Paradies.
    »Das alles gehört uns.«
    »Das alles?« fragte Eva.
    Sie kamen in die Mitte des Gartens, wo der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse wuchs.
    »Das alles gehört uns«, sagte Adam zu Eva, »aber von diesen Früchten dürfen wir nicht essen. Gott hat es verboten.«
    »Was ist, wenn wir es tun?« fragte Eva.
    »Dann werden wir bestraft.«
    »Was heißt das?«
    »Dann sterben wir. Das hat Gott gesagt.«
    »Was ist sterben?« fragte Eva.
    »Sterben ist der Tod«, sagte Adam.
    »Was ist der Tod?«
    Das wußte Adam nicht. Noch war ja kein Wesen in seiner Welt gestorben. Wie konnten Adam und Eva dieses Verbot verstehen, wenn sie die Strafe nicht verstanden? Solange sie nicht wußten, was der Tod ist, so lange schreckte er sie nicht. Aber es gab für sie nur eine Möglichkeit herauszukriegen, was der Tod ist, nämlich vom Baum der Erkenntnis zu essen. Aber dann würden sie sterben. Das hieß: Den Tod verstehen und sterben sind eines.
    Wer nicht weiß, fragt. Eva fragte. Damit war die Neugierde in die Welt gesetzt.
    Die Spaziergänge durch den Garten Eden waren immer gleich. Am Ende langten Adam und Eva immer in der Mitte des Gartens an und standen vor dem Baum der Erkenntnis und fragten. Aber es gab nur Fragen. Vorläufig gab es nur Fragen. Antworten gab es noch keine.
    Erinnern wir uns: Samael, der Engel, der sich geweigert hatte, vor Adam niederzuknien, er war in die Hölle gestürzt worden. Und er hatte dem Erzengel Michael eine Feder aus dem Flügel gerissen. Und mit Hilfe dieser Feder war es ihm und wird es ihm immer möglich sein, auf die Erde zu steigen, um dort sein Unheil anzurichten. Und das tat nun Samael.
    Samael stieg aus der Hölle, kletterte in den Garten Eden und schlüpfte in eine Schlange.
    Und eines Tages ergab es sich, daß Eva allein einen Spaziergang durch den Garten machte. Das heißt: Eva nahm erst gar keinen Umweg, sie ging schnurstracks zum Baum der Erkenntnis. In ihrem Kopf war die Frage erfunden worden, und in ihrem Kopf hatten sich mehr Fragen angesammelt als in Adams Kopf.
    Sie stand vor dem Baum und dachte nach. Und da kam die Schlange auf sie zu. Und aus dem Mund der Schlange sprach Samael zu Eva.
    »Wie geht es dir?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte Eva.
    Wir können erklären, warum sie so antwortete. Auf die Frage »Wie geht es dir?« gibt es zwei Antworten, nämlich entweder »gut« oder »schlecht«, und nur wenn beide Antworten möglich sind, ist auch die Frage selbst möglich. Was für einen Sinn hätte es zu fragen, wie es einem
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