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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel
Autoren: Michael Köhlmeier
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gern. Sie schmiegten sich aneinander, Männlein an Weiblein.
    »Hengst und Stute! Wolf und Wölfin! Ratte und Rättin …«
    Die Tiere sahen sehr glücklich aus, sie hatten es gar nicht eilig. Sie liebten sich, sie vereinigten sich, sie brachten Junge zur Welt, gründeten Familien.
    »Hund, Hündin, Welpe! Rehbock, Reh, Kitz …«
    Adam sah zu, und er wurde neugierig, und er wurde aber auch traurig. Denn er war allein.
    Er sagte zu Gott: »Warum bin ich allein? Ich sehe, das Schaf hat einen Widder an seiner Seite. Der Hund hat eine Hündin an seiner Seite. Der Rabe hat die Räbin. Die Katze den Kater. Sie neigen sich einander zu, und sie sind glücklich. Sie lieben sich und bringen Junge zur Welt, und sie gründen Familien. Und ich bin allein.«
    Gott sagte: »Du bist einmalig.«
    »Ja, ich bin einmalig«, sagte Adam und gab den Tieren weiter Namen.
    In einem Talmud-Traktat heißt es, Adam habe versucht, die Tiere nachzumachen. Er habe versucht, sich mit den Tieren zu vereinigen. Aber er sei dabei nicht glücklich geworden, und da sei der Stachel der Langeweile in sein Herz eingedrungen. Und Langeweile macht böse.
    Und als Gott ihn wieder besuchte, habe ihm Adam nicht in die Augen gesehen, und auf seine Fragen habe er nur widerwillig geantwortet. Er sei bockig gewesen. Und Gott sah, daß die Seele Adams hungrig war. Und Gott schickte den Schlaf in Adams Seele.
    Adam schlief, und der Schlaf hat seine Seele erquickt. Aber als er aufwachte, war er immer noch allein.
    Er trat vor Gott und sagte: »Ich möchte nicht mehr allein sein.«
    »Was willst du?« fragte Gott.
    »Ich möchte auch ein Weib haben.«
    Gott hatte Mitleid mit seinem Geschöpf, und er sagte: »Gut, ich werde darüber nachdenken.«
    Dann hat Gott nachgedacht, und er sagte zu Adam: »Dreh dich um!«
    Adam drehte sich um, und Gott modellierte aus Adams Hinterkopf das Gesicht einer Frau, und aus Adams Rücken modellierte er den Körper einer Frau.
    »Jetzt bist du nicht mehr allein«, sagte er zu ihm.
    Warum hat Gott das so gemacht? Er dachte, vielleicht kann ich ihn doch noch als einmaliges Wesen behalten, wenn ich aus ihm ein Doppelwesen in einer Person mache, so ist er immer noch einmalig und wird wohl Ruhe geben.
    Aber Adam gab keine Ruhe. Er hatte ja gesehen, wie sich die Tiere einander zuneigten, wie sie sich voll Liebe in die Augen sahen. Wie sollte er seinem Hinterkopf in die Augen sehen? Wie sollte er sich seinem Rücken zuneigen?
    »Es geht nicht«, sagte Adam zu Gott. »Es macht mich nicht glücklich. Es macht mich nur noch trauriger.«
    »Was willst du?« fragte Gott.
    »Ich will eine Frau haben«, sagte Adam.
    Gott sagte: »Ich werde darüber nachdenken.«
    Gott beriet sich mit dem Erzengel Michael.
    »Was meinst du?« fragte er ihn.
    »Er wird keine Ruhe geben«, sagte Michael.
    »Ich fürchte auch«, sagte Gott. »Ich werde ihm eine Frau machen. Es bleibt mir nichts anderes übrig.«
    Und Gott kratzte sich am Unterarm.
    Und er sagte zu Michael: »Draußen vor dem Tor des Paradieses, dort liegt doch noch der Haufen Lehm, der vom ersten Entwurf übrig ist. Ich werde aus diesem Lehm eine Frau für Adam machen.«
    Da erschrak Michael, denn er erinnerte sich, daß Samael auf diesen Lehm gespuckt hatte, bevor er in die Hölle gestürzt wurde.
    Michael sagte zu Gott: »Das … das … ist vielleicht keine so gute Idee … Warum gerade diesen Lehm?«
    »Warum nicht«, sagte Gott. »Es wird Adam guttun, wenn seine Frau aus demselben Stoff ist wie er.«
    »Vielleicht ist dieser Lehm schon alt«, stammelte Michael. »Ich will doch lieber frischen Lehm holen …«
    Aber Gott sagte: »Nein, ich werde Adams Weib aus diesem Lehm machen.«
    Samaels Prophezeiung erfüllte sich: Michael hat Gott zwar nicht angelogen, aber er hat ihm auch nicht die Wahrheit gesagt. Er wagte es nicht, ihm zu sagen, daß Samael, der Teufel, auf diesen Lehm gespuckt hat. Denn er befürchtete, Gott würde ihn schelten, weil er es nicht verhindert hat.
    Gott nahm also von dem Lehm, der draußen vor dem Tor des Paradieses lag, und formte daraus eine Frau. Und er gab der Frau einen Namen. Er nannte sie Lilith.
    Gott machte Lilith wunderschön und führte sie dem Adam zu. Adam verliebte sich in Lilith.
    Aber bevor die Nacht kam und Lilith und Adam sich niederlegten, holte Gott die Frau noch einmal zu sich und sagte zu ihr: »Daß wir uns richtig verstehen! Er ist der erste. Du bist die zweite. Du sollst ihm Untertan sein, du sollst dem Mann unterlegen sein!«
    Und das hat Gott
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