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Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers

Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers

Titel: Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
Autoren: Carmen Korn
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Prolog
    Er stand im seidenen Morgenmantel auf der Terrasse, und der Wind zerrte an der Seide und ließ ihn trotz der heißen Sonne frieren.
    Ein unnachgiebiger Wind, der von Süden kam und auch am Meer zerrte, das sechs Stockwerke tiefer auf der anderen Seite der Straße war. Die Wellen hetzten einander in ein sandiges Graugrün hinein und wurden laut wie lange nicht. Die Zeitung, die auf einem der kleinen Tische aus Teakholz gelegen hatte, war auseinandergerissen worden und in die Ecken der Terrasse geweht.
    Er hielt das hohe Glas fest in der Hand, als ob ihm auch das verwehen könnte, und nahm den letzten Schluck. Zu viel Gin und zu wenig Orangensaft, und es war noch nicht einmal elf Uhr an diesem Vormittag in Kapstadt. Der Sommer ging vorbei und ließ sich kaum mit diesem Glas festhalten. Philip Perak wusste das.
    Das Zimmer, in das er von der Terrasse aus trat, war in kühler Eleganz eingerichtet, auf eine teure Art afrikanisch, wie es den Innenarchitekten in der ganzen Welt gerade gefiel. Dieser Stil hatte ihm zugesagt, als er die Wohnung am Meer vor zwei Jahren zum ersten Mal betreten hatte. Nichts war von seiner Hand verändert worden am Mobiliar, auch der Sehnsucht nach einem Klavier hatte er nicht nachgegeben. Zu quälend waren die Gedanken an sein letztes Klavierspiel.
    Doch es wurde Zeit, die Erinnerung zuzulassen. Eine Erinnerung, die tiefer wirkte als die an die Nacht, die gerade hinter ihm lag.
    Perak stellte das Glas ab und las das Zellophan vom Steinboden auf, das von einer Zigarettenschachtel gerissen worden war. Er hatte dem Jungen verboten zu rauchen. Vielleicht trug dieses Verbot schuld an der Tristesse dieser Nacht. Hatten sie Sex gehabt? Oder war es nur wieder ein Versuch dazu gewesen? Perak erinnerte sich nicht. Viel zu viel des Alkohols, der ihm lange genug geholfen hatte zu verdrängen.
    Der Junge hatte die Wohnung im Morgengrauen verlassen. Das Bündel Scheine, auf dem Sideboard neben der Eingangstür bereitgelegt, fehlte. Sicher hatte dieser hübsche Bengel aus einem der verwahrlosten Viertel der Weißen geglaubt, das Geld wert gewesen zu sein und Liebe gemacht zu haben.
    Perak seufzte. Wer hatte ihn geliebt? Seine Mutter? Hatte sie ihn geliebt oder nur besessen? Sie hatte ihm kaum Luft zum Atmen gelassen.
    Vor Peraks Augen erschien ein anderes Bild, eines, das dort nicht sein durfte. War er noch immer wahnsinnig genug zu glauben, dass Vera ihn lieben könnte? Nach allem, was er ihr angetan hatte? O ja. Dessen war er sich bewusst nach der langen Zeit in der Psychiatrie. Er hatte ihr Leben zerstört an jenem Oktobertag und seines dazu.
    Er ging in das Schlafzimmer, um sich anzukleiden. Später würde er an der Waterfront ein paar Austern essen. Vielleicht auch die kleinen Gambas. Ein kalter Weißwein dazu. Kein Knoblauch. Er verabscheute Knoblauch.
    Ein erstes Abschiedsessen an diesem stürmischen Märztag.
    Vielleicht traf er einige von den Leuten, um ihnen seinen Abgang anzukündigen. Ein Reigen solcher Essen stünde ihm bevor.
    Er gehörte zum Rudel. Das war ihm in Hamburg nicht gelungen.
    Seine Zeit in Südafrika war dennoch vorbei.
    Philip Perak hatte vor, nach Hause zurückzukehren.
    Das waren die letzten freundlichen Tage gewesen.

Hauptteil
    »Darf doch nicht wahr sein , dass ich ein ganzes Leben in denselben Möbeln verbringe«, sagte Vera, »die stehen hier noch, wenn ich schon längst gestorben bin.«
    Störte das dann noch, wenn Vera gemütlich im Sarg läge? Vera schritt die acht Zimmer ihrer Wohnung ab. Es störte sie.
    Ein Wunder, dass eine Frau wie Vera länger als vierzig Jahre in den Möbeln lebte, die ihr verstorbener Vater vor ihrer Geburt angeschafft hatte. War das Liebe? Bequemlichkeit?
    »Gestorben wird hier noch lange nicht«, sagte Anni, »ich glaub auch gar nicht, dass es sich in neuen Möbeln leichter stirbt.«
    »Vielleicht lebt es sich leichter«, sagte Vera. Sie drehte sich zu ihrer alten Haushälterin um, die ihr von Zimmer zu Zimmer folgte.
    »Du bist keine Freundin der Veränderung«, sagte sie.
    Nein. Das war Anni nicht. Anni war die Hüterin des Hauses. Hütete Vera und Veras kleinen Sohn. Hütete auch das, was Veras Vater hinterlassen hatte. Der Mensch und seine Sachen. Veras Vater Gustav hatten sie schon zwei Jahrzehnte überdauert. Diese Möbel gierten danach, auch Vera zu überdauern. Vera merkte es ihnen an.
    »Ist doch immer alles gut gewesen«, sagte Anni, als Vera im Esszimmer zu stehen kam und den Mahagonitisch mit den rosshaarbespannten Stühlen
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