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Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben

Titel: Mein Tor ins Leben - Bajramaj, L: Mein Tor ins Leben
Autoren: Lira Bajramaj
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Memoiren mit Anfang 20?
    Warum ich ein Buch schreibe
    Da war immer diese Angst. Die Angst davor, dass sie meinen Eltern irgendetwas antun.
     
     
     
    Ich heiße Fatmire, aber seit ich denken kann, nennen mich alle nur Lira. Ich bin eine gebürtige Kosovo-Albanerin. Wer mich und mein Leben verstehen will, muss in die Geschichte des früheren Jugoslawien eintauchen. Hinein in die Wirren ethnischer Konflikte, in die Wirren des Krieges.
    Noch heute läuft es mir eiskalt den Rücken herunter, wenn ich an meine frühe Kindheit zurückdenke. Ich bin unter Umständen aufgewachsen, die sich junge Frauen in Deutschland in meinem Alter kaum vorstellen können. Unser Leben war in Gefahr, deshalb musste meine Familie fliehen.
    Ich habe lange überlegt, ob ich mit Anfang 20 schon meine Lebensgeschichte aufschreiben sollte. »Ist das nicht etwas übertrieben, so früh deine Memoiren zu Papier zu bringen?«, fragte mich meine Mitspielerin Anja Mittag aus der Nationalmannschaft. Das hat mich verunsichert, denn auch ich hatte Zweifel. Klar, was habe ich in meinem Leben schon erreicht? Was hat man in meinem Alter überhaupt schon hinter sich? Was habe ich geleistet? Sicher blicke ich nicht auf ein vollendetes Lebenswerk als Sportler oder 50 Jahre Film- oder Gesangskarriere zurück wie andere Stars. Ich bin auch keine alternde
Diva, die sich gegen das Faltenzählen entschieden hat und stattdessen lieber ihre Lebensgeschichte erzählt.
    Ich fühle mich als Fußballnationalspielerin auch weit entfernt von Ikonen à la Rudi Völler oder Steffi Graf, die unzählige große sportliche Erfolge feiern konnten. Und um in meiner Sportart zu bleiben: Auch mit der ehemaligen Topspielerin Steffi Jones, die heute Präsidentin des Organisationskomitees der WM 2011 ist, oder der ehemaligen Weltfußballerin Birgit Prinz kann ich nicht mithalten. Zudem hoffe ich inständig, dass meine Fußballkarriere trotz Weltmeistertitel 2007 ihren Höhepunkt noch nicht überschritten hat und mein Leben überhaupt noch viele Abenteuer für mich bereithält. Mein wichtigstes sportliches Ziel ist ohne Zweifel das Frauenfußball-Weltmeisterschaftsturnier im eigenen Land 2011. Es wäre wirklich gigantisch, wenn ich das Ticket für die Heim-WM lösen könnte.
    So, jetzt kommen sicher die Kritiker und vermuten als Grund für meine Schreibwut viel »Kohle«. Ich darf beruhigen: Das Geld war es auch nicht. Ich habe keinen Michael-Ballack-, Oliver-Kahn- oder Boris-Becker-Status. Für die kleine Lira wird von Verlagsseite in Zeiten von Finanzkrise und wachsender Arbeitslosigkeit nicht mal schnell eine Million locker gemacht. Gut, ich übertreibe, so viel Geld haben die drei wohl auch nicht gesehen. Und tauschen will ich mit diesen Sportlegenden wirklich nicht. So extrem in der Öffentlichkeit zu stehen, wäre nicht mein Ding. Ich möchte weiter meinen Abfall in Schlabberklamotten zur Mülltonne bringen können, ohne dass ich am nächsten Morgen die Titelseiten fülle und den Menschen, die das in der Zeitung sehen, das Brötchen vor Schreck im Halse stecken bleibt. Und wenn ich mir beim Bäcker meines Vertrauens ein Stück Sahnetorte gönne, sollte das nicht unbedingt die ganze Nation wissen. Am Ende bekomme ich noch einen Rüffel von der Bundestrainerin, die sich um meinen Ernährungsplan sorgt.
    Was ich eigentlich damit sagen will: Mit einem Buch verdient man nicht so viel Geld, dass man am Ende saniert wäre
und sich und seiner Familie eine Luxusvilla hinstellen könnte. Immerhin kann ich mit dem Geld meine 30 Paar umfassende Schuhsammlung erweitern. Das ist doch was!
    Es bleibt also die Frage: Warum schreibe ich ein Buch? Was kann ich denn eigentlich bieten? Eine behütete Kindheit, ein bisschen Pubertät mit vielen (!) Pickeln, eine Menge Sport, ein paar nette Anekdoten. Das Übliche eben? Nein, denn das ist eben nicht alles. Es ist meine Herkunft: Der Kosovo zählt heute noch zu den ärmsten Regionen in Europa. In entsprechend einfachen Verhältnissen spielte sich meine Kindheit ab. Es war für uns Albaner gerade kurz vor unserer Flucht ein Alltag voller Angst, voller Entbehrungen, und dennoch gab es diesen großen Zusammenhalt in der Familie, der mich trägt.
    Als »Dreikäsehoch« musste ich mein Geburtsland mit meinen Eltern und zwei Brüdern verlassen, weil wir keine Perspektiven mehr sahen und unser Leben in Gefahr war. Mein Vater hat damals Geld an eine Schleuserbande gezahlt, damit wir aus dem Kosovo rauskommen. Unsere Flucht durch halb Europa war der reinste
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