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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer
Autoren: Manuel Andrack
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hoch über der Lieser liegt. Später gebaut wurde die Niederburg, die sich über einzelne Terrassen den Hang hinaufzieht. Die Gewalt über die Burgen wechselte oft. Meist war die Oberburg in der Hand des Erzbischofs von Trier, und die Niederburg gehörte zum Herzogtum Luxemburg. Diese beiden Machtblöcke bekämpften sich jahrhundertelang, und in Manderscheid lag sozusagen der Eifeler Checkpoint Charlie.
    Die ganze Gegend war über 500 Jahre bis zum Wiener Kongress 1815 luxemburgisch. Luxemburgisch zu sein hieß aber nicht, auch wirklich Luxemburg zu gehören. So ein Herzogtum wurde ja auch öfter mal verpfändet, verliehen und erobert. So kam Manderscheid erst an Burgund, dann an die spanische Niederlande, dann an Frankreich, an Spanien, wieder an Frankreich und |41| schließlich an Österreich. Multikulti und total globalisiert im Herzen der Eifel. 
    Ein Motiv, das es auch als Postkarte gibt
    Der Lieserpfad war nun in den felsigen Abhang auf halber Höhe zwischen Tal und Berghöhe gehauen. An der linken Seite fiel der Hang hundert Meter zum Bach hinab, teilweise durch Holzgeländer abgesichert. An der rechten Seite ging es steil den Berg hinauf. Auf den ersten Kilometern standen Wanderhütten im Zehn-Minuten-Abstand für die vielen Spaziergänger der Gegend. Wir gingen gut eine Stunde bis zur Hütte Weifelsjunk, wo wir wegen der Hitze eine Pause machten. Bis dahin war der Weg wunderbar gewesen. Ein schmaler Traumwanderweg. Danach erwartete uns der erste größere Anstieg. Der obere Lieserpfad verläuft |42| ziemlich auf gleicher Höhe, während das Profil des unteren Lieserpfades wesentlich welliger ist. Dreimal muss ein Höhenunterschied von ungefähr 150 Metern überwunden werden, die schmalen Wege führten in steilen Kehren den Berg hinauf. Oben angekommen erwartete uns ein traumhafter Blick über das Liesertal und eine frisch geharkte Fläche, wo dereinst – wie ich von früheren Wanderungen wusste – eine Bank gestanden hatte. Was das Schicksal dieser Bank an exponierter Stelle gewesen war, vermag ich nur zu vermuten. Altersschwäche, Vandalismus, Holzwurm? (Liebe Lieserpfad-Wanderbank-Aufsteller! Egal, was der Grund war, diese Bank zu entfernen, bitte stellt wieder eine neue Bank dahin, damit der vom Aufstieg müde Wanderer den Blick übers Tal in Ruhe genießen kann.)
     
    Wir machten unsere große Pause erst, als wir die Lieser an der Karl-Kaufmann-Brücke überquert hatten. Leider war auch hier keine Bank vorhanden, sodass wir uns auf den Brückenstufen niederließen. Mein Vater erzählte, dass sein erster Klassenlehrer am Trierer Max-Planck-Gymnasium auch Lieser geheißen habe. Und der Herr Lieser sei als führendes Eifelvereins-Mitglied ein richtiger Wandervogel gewesen und habe mit seiner Klasse so manche Wanderung im Trierer Umland unternommen.
    Mit seinen Eltern ist mein Vater eigentlich nie gewandert. Sie besaßen ein Füllfederhalter-Spezialgeschäft in der Trierer Innenstadt und hatten wenig Zeit. Manchmal kam aber Onkel Gusti aus Bergisch Gladbach zu Besuch. Hin und wieder fuhr er zu seiner Schwester nach Trier und ging mit meinem Vater und seinen beiden Geschwistern wandern. Onkel Gusti mochte das Wandern, |43| hatte es aber während der Pausen gerne gemütlich. Doch die Kinder hatten Hummeln in der Hose und wollten lieber weitergehen. Onkel Gusti sagte dann: »Jetzt bleibt doch erst mal sitzen und trinkt in Ruhe eure Limo.« Das ist heute anders, da wollen die Onkel wandern, und die Kinder haben keine Lust dazu.
    Für meinen Vater war der folgende Teil des Weges der eigentliche Höhepunkt der Wanderung. Immer wieder genoss er die herrlichen Ausblicke. Nach dem zweiten größeren Berg gingen wir durch ein naturbelassenes Seitental der Lieser, das mit seinen umgestürzten Bäumen und meterhohem Farn an einen Regenwald erinnerte. Nach dem Regenwald-Trail machten wir Rast auf einer Bank unterhalb der Ortschaft Karl. Genau: Karl. Das Dorf heißt nicht Franz, Heinz oder Willi, sondern Karl. Während wir auf der Bank saßen, bekamen wir eine Eifel-Düsenjäger-Show geboten. Die Eifel ist wie viele andere deutsche Mittelgebirge nicht nur Wanderparadies, sondern vor allem Militärzone. Nach dem schrittweisen Abzug der Amerikaner sind es aber nur noch deutsche Düsenjäger, die hier für den Ernstfall üben.
    Direkt über unseren Köpfen flogen zwei Düsenjäger mal einzeln, mal im Formationsflug, mal donnernd schnell und laut, mal summend leise und langsam, mal geradeaus, mal sich in die Kurve legend
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