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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung
Autoren: Greg Iles
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so gut wie nichts von Quantenphysik verstand, seinen Namen kannte. Doch das überraschte mich nicht. Schon Sechsjährige hatten von dem »White Rabbit« gehört. Dem Mann, der das Rätsel der dunklen Materie im Universum gelöst hatte. Fielding war genauso bekannt wie sein Freund Steven Hawking, der Astrophysiker.
    »Er starb an einem Schlaganfall«, sagte ich. »Zumindest behaupten sie das.«
    »Wer behauptet das?«
    »Die Leute auf der Arbeit.«
    »Sie arbeiten mit Andrew Fielding zusammen?«
    »Ich habe mit ihm zusammen gearbeitet, ja. Die letzten beiden Jahre.«
    Rachel schüttelte staunend den Kopf. »Und Sie glauben nicht, dass er an einem Schlaganfall gestorben ist?«
    »Nein.«
    »Hat man ihn untersucht?«
    »Eine oberflächliche Untersuchung. Er ist in seinem Büro zusammengebrochen. Ein anderer Arzt war bei ihm, bevor er starb. Dieser Arzt meinte, Fielding hätte linksseitige Lähmungserscheinungen und eine weit geöffnete linke Pupille, allerdings …«
    »Was?«
    »Ich glaube ihm nicht. Fielding ist für einen Schlaganfall zu schnell gestorben. Innerhalb von vier oder fünf Minuten.«
    Rachel schürzte die Lippen. »Das geschieht manchmal. Insbesondere bei starken inneren Blutungen.«
    »Ja, aber es ist vergleichsweise selten, und normalerweise bemerkt man eine erschlaffte Pupille rechtzeitig.« Das stimmte, doch es war nicht das, woran ich dachte. Rachel war Psychotherapeutin, und so tüchtig sie auch sein mochte, sie hatte nicht wie ich sechzehn Jahre damit verbracht, Innere Medizin zu praktizieren. Man bekommt ein Gefühl für gewisse Fälle und gewisse Patienten. Eine Art sechsten Sinn. Fielding war nicht mein Patient gewesen, doch er hatte mir in denvergangenen beiden Jahren viel über seine Gesundheit erzählt, und eine massive innere Blutung erschien mir einfach nicht passend bei ihm. »Hören Sie, ich weiß nicht, wo sein Leichnam liegt, und ich glaube nicht, dass man eine Autopsie anordnen wird, deswegen …«
    »Eine Autopsie?«, unterbrach Rachel mich verwundert. »Wieso?«
    »Weil ich glaube, dass er ermordet wurde.«
    »Sie sagten doch, er sei in seinem Büro gestorben.«
    »Das stimmt.«
    »Sie glauben, er wurde auf der Arbeit ermordet? Gewalt am Arbeitsplatz?«
    Sie begriff immer noch nichts. »Ich meine vorsätzlichen Mord. Von langer Hand geplanter, kaltblütig ausgeführter Mord.«
    »Aber … warum sollte jemand Andrew Fielding ermorden? Er war ein alter Mann, nicht wahr?«
    »Er war dreiundsechzig.« Als ich mir den Anblick von Fieldings Leichnam in Erinnerung rief, wie er auf dem Boden seines Büros lag, mit offenem Mund und blicklosen Augen, die an die Decke starrten, überkam mich das plötzliche Verlangen, Rachel alles zu erzählen. Doch ein Blick zum Fenster erstickte dieses Bedürfnis im Keim. Ein Parabolmikrofon, auf das Glas gerichtet, konnte jedes Wort aufzeichnen.
    »Ich kann Ihnen nicht mehr darüber erzählen. Tut mir Leid. Sie sollten gehen, Rachel.«
    Sie machte zwei entschlossene Schritte auf mich zu. »Ich gehe aber nicht. Hören Sie, wenn irgendjemand in diesem Staat stirbt, ohne dass ein Arzt zugegen ist, muss eine Autopsie durchgeführt werden! Ganz besonders in Fällen, wo möglicherweise nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Das Gesetz verlangt es so!«
    Ich lachte über ihre Naivität. »Es wird keine Autopsie geben. Jedenfalls keine öffentliche.«
    »David …«
    »Ich kann Ihnen wirklich nicht mehr sagen! Ich hätte nichteinmal das sagen sollen! Ich wollte Ihnen bloß zeigen, dass es … dass es real ist.«
    »Warum können Sie nicht mehr sagen?« Sie hob eine kleine, schön geformte Hand. »Nein, lassen Sie mich selbst die Antwort darauf geben. Weil es mich in Gefahr bringen würde, wenn Sie mehr erzählen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    Sie verdrehte die Augen. »David, Sie haben von Anfang an ungewöhnliche Forderungen gestellt, was Geheimhaltung angeht. Und ich habe mich gefügt. Ich habe meinen Kollegen erzählt, dass die Stunden, die Sie in meinem Büro verbringen, allein Forschungszwecken dienen. Recherchen für Ihr zweites Buch. Jedenfalls nicht das, was es in Wirklichkeit ist.«
    »Und Sie wissen, dass ich Ihnen dankbar dafür bin. Aber wenn ich Recht habe mit Fielding, dann bringt jedes Wort, das ich Ihnen erzähle, Ihr Leben in Gefahr. Können Sie das denn nicht verstehen?«
    »Nein. Das habe ich nie verstanden. Was für eine Arbeit kann denn so gefährlich sein?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das ist wie ein schlechter Scherz.« Sie stieß
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