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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung
Autoren: Greg Iles
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zusammenhängender Gedanke war ein Gebet, die stille Hoffnung, dass in der unbekannten Welt des Quantums ein Bewusstsein jenseits dessen existierte, was die Menschen Tod nannten. Für Fielding war Religion eine Illusion, doch zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts hatte Project Trinity die Hoffnung auf eine neue Unsterblichkeit geweckt. Und es war nicht die Rube-Goldberg-Monstrosität, die sie hundert Meter von seiner Bürotür entfernt zu bauen vorgaben.
    Der Aufprall auf dem Boden fühlte sich an wie auf Wasser.
    Ich schrak hoch und packte meine Smith & Wesson. Jemand hämmerte gegen meine Haustür, die straff gespannt an der Sicherheitskette hing. Ich versuchte aufzustehen, doch der Traum hatte mir die Orientierung geraubt. Seine Klarheit übertraf alles, was ich bisher an Träumen gehabt hatte. Ich fühlte mich beinahe so, als wäre ich selbst gestorben, als wäre ich Andrew Fielding im Augenblick seines Todes …
    »Dr. Tennant?«, rief eine Frauenstimme. »David! Sind Sie zu Hause?«
    Meine Psychotherapeutin? Ich legte eine Hand auf meine Stirn und versuchte mich in die Wirklichkeit zurückzukämpfen. »Dr. Weiss? Rachel? Sind Sie das?«
    »Ja. Machen Sie die Kette auf!«
    »Ich komme«, murmelte ich. »Sind Sie allein?«
    »Ja. Öffnen Sie die Tür.«
    Ich stopfte meinen Revolver zwischen die Sofapolster und stolperte zur Tür. Als ich die Hand nach der Sicherheitskette ausstreckte, dämmerte mir, dass ich meiner Therapeutin nie gesagt hatte, wo ich wohnte.

2
    R achel Weiss besaß pechschwarzes Haar, gebräunte Haut und Augen wie Onyx. Vor elf Wochen, als ich zu meiner ersten Sitzung in ihr Büro gekommen war, hatte ich an die Rebecca aus Sir Walter Scotts Ivanhoe denken müssen. Nur dass die Rebecca aus der Erzählung eine wilde, ungebändigte Schönheit gewesen war. Rachel Weiss hingegen strahlte eine konzentrierte Ernsthaftigkeit aus, die ihre physische Erscheinung und ihre Kleidung irrelevant werden ließen. Es schien, als würde sie richtiggehende Anstrengungen unternehmen, um ihre Vorzüge zu verbergen und ihre Patienten nicht dazu zu verführen, in ihr etwas anderes als die außergewöhnliche Ärztin zu sehen, die sie war.
    »Was war das?«, fragte sie und deutete auf das Sofakissen, wo ich den Smith & Wesson versteckt hatte. »Betreiben Sie schon wieder Selbstmedikation?«
    »Nein. Woher wissen Sie, wo ich wohne?«
    »Ich kenne jemanden vom Personal bei der UVA. Sie haben zwei aufeinander folgende Sitzungen versäumt, auch wenn Sie vorher angerufen und abgesagt haben. Heute sind Sie allerdings nicht gekommen, ohne vorher abzusagen. Was erwarten Sie denn, was ich angesichts Ihrer Gemütsverfassung in letzter Zeit tun soll?« Rachels Blick wanderte zu meiner Videokamera. »Oh, David … Sie haben doch wohl nicht wieder damit angefangen? Ich dachte, das hätten Sie vor Jahren aufgegeben.«
    »Es ist nicht, was Sie glauben.«
    Sie sah wenig überzeugt aus. Vor fünf Jahren hatte ein betrunkener Fahrer den Wagen meiner Frau von der Straße undin einen Tümpel gedrängt. Das Wasser war nicht tief gewesen; trotzdem waren meine Frau Karen und meine Tochter Zooey ertrunken, bevor Hilfe eingetroffen war. Ich arbeitete in dem Krankenhaus, in das sie nach dem Unfall gebracht wurden. Zu beobachten, wie das Personal der Notaufnahme sich vergeblich bemühte, meine vierjährige Tochter zu reanimieren, vernichtete mein Leben. Ich verbrachte Stunden zu Hause vor dem Fernseher und spielte endlos Videobänder von Zooey ab. Zooey beim Laufenlernen, Zooey lachend in den Armen von Karen, Zooey, die mich während der Party zu ihrem dritten Geburtstag umarmte. Meine medizinischen Fähigkeiten siechten dahin und starben schließlich, und ich sank in eine klinische Depression. Es war der einzige Fakt aus meinem Leben, den ich in allen Einzelheiten mit der Therapeutin besprochen hatte, und das auch nur, weil sie mir nach drei Sitzungen erzählt hatte, dass im Jahr zuvor ihr einziges Kind an Leukämie gestorben war.
    Sie hatte es mir anvertraut, weil sie glaubte, dass meine beunruhigenden Träume durch den tragischen Verlust meiner Familie hervorgerufen worden waren, und sie wollte mich wissen lassen, dass sie den gleichen Schmerz gespürt hatte. Auch Rachel hatte mehr verloren als nur ihr Kind. Ihr Ehemann hatte es nicht geschafft, mit den vernichtenden Auswirkungen der Krankheit seines Sohnes fertig zu werden, und hatte Rachel nach dem Tod des Jungen verlassen, um nach New York zurückzukehren. Genau wie ich war Rachel
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