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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung
Autoren: Greg Iles
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Optical Corporation optische Computerbauteile, die in Verteidigungsprojekten der Regierung zum Einsatz kamen. Lu Li wusste vielleicht nicht mehr als das.
    »Was hat Ihnen die Company erzählt?«, fragte ich vorsichtig.
    »Andy tot!«, schluchzte Lu Li. »Sie sagen, er sterben an Hirnbluten, aber ich weiß nichts. Ich weiß nicht, was ich tun soll!«
    Ich sah ein, dass ich nichts gewinnen konnte, wenn ich Andrews Witwe mit Mordtheorien noch weiter in Aufregung versetzte. »Lu Li, Andrew war dreiundsechzig Jahre alt und nicht bei bester Gesundheit. Ein Schlaganfall in dieser Situation ist nichts Unwahrscheinliches.«
    »Sie nicht verstehen, Doktor David! Andy mich warnen wegen diese Sache!«
    Ich packte den Telefonhörer fester. »Was soll das bedeuten?«
    Ein weiterer Schwall Kantonesisch kam durch die Leitung, dann beruhigte sie sich ein wenig und berichtete in stockendem Englisch. »Andy mir gesagt, dies könne passieren, Doktor David! Er sagen: ›Wenn mir etwas passiert, ruf David an. David weiß, was zu tun ist.‹«
    Ein tiefer Schmerz stieg in mir auf. Dass Fielding so grenzenloses Vertrauen in mich gesetzt hatte …
    »Was soll ich tun, Lu Li?«
    »Herkommen, bitte. Reden mit mir. Erzählen mir, warum dies passieren mit Andy.«
    Ich zögerte. Wahrscheinlich belauschte die NSA unser Gespräch. Wenn ich zu Lu Li nach Hause fuhr, würde ich sie möglicherweise in größere Gefahr bringen und mich obendrein. Doch welche Wahl hatte ich? Ich durfte meinen toten Freund nicht enttäuschen. »Ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen, Lu Li.«
    »Danke sehr, danke, David! Bitte, danke sehr!«
    Ich legte auf und wandte mich ab, um ins Wohnzimmer zurückzugehen. Rachel stand in der Küchentür.
    »Ich muss weg«, sagte ich zu ihr. »Danke, dass Sievorbeigekommen sind, um nach mir zu sehen. Ich weiß, das war mehr als bloßes Verantwortungsgefühl.«
    »Ich fahre mit Ihnen. Ich habe einiges von Ihrer Unterhaltung gehört, und ich begleite Sie.«
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es keinen Grund für Sie gibt, mich zu begleiten. Sie haben nichts mit dieser Sache zu tun.«
    Rachel verschränkte die Arme vor der Brust. »Für mich ist es ganz einfach. Falls Sie die Wahrheit sagen, werde ich am Ende einer kurzen Fahrt die untröstliche Witwe von Andrew Fielding antreffen, und sie wird untermauern, was Sie mir erzählt haben.«
    »Nicht unbedingt. Ich weiß nicht, wie viel Fielding ihr anvertraut hat. Außerdem spricht Lu Li kaum Englisch.«
    »Was denn – Andrew Fielding hat seiner eigenen Frau kein Englisch beigebracht?«
    »Er sprach fließend Kantonesisch. Plus ungefähr acht weitere Sprachen. Und sie ist erst seit ein paar Monaten in den Vereinigten Staaten.«
    Rachel straffte mit flachen Händen ihren Rock. »Ihr Widerstand sagt mir, dass Sie befürchten, Ihre Geschichte könnte sich als Wahnvorstellung erweisen, wenn Sie mich mitnehmen.«
    Zorn stieg in mir auf. »Ich bin wirklich versucht, Sie mitzunehmen, allein deswegen. Aber Sie begreifen nicht, in welche Gefahr Sie sich begeben, Rachel. Sie könnten sterben. Noch heute Nacht.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Ich nahm den Ziploc-Beutel mit dem weißen Pulver und dem FedEx-Umschlag und hielt ihn ihr entgegen. »Vor ein paar Minuten habe ich einen Brief von Fielding erhalten. Dieses Pulver war im Umschlag.«
    Sie zuckte die Schultern. »Sieht aus wie weißer Sand. Was ist es?«
    »Ich habe keine Ahnung. Aber ich fürchte, es könnte Anthrax sein. Oder was immer Andrew Fielding umgebracht hat.«
    Sie nahm mir den Beutel aus der Hand. Zuerst glaubte ich, sie wollte das weiße Pulver untersuchen, doch sie las die Anschrift auf dem FedEx-Umschlag. »Hier steht, der Brief ist von einem Lewis Caroll abgeschickt.«
    »Das ist nur ein Kode. Andrew Fielding durfte nicht riskieren, dass sein Name im Computersystem von FedEx erscheint. Die NSA hätte es sofort bemerkt und den Brief abgefangen. Er benutzte den Namen ›Lewis Caroll‹, weil sein Spitzname ›The White Rabbit‹ war. Sie haben davon gehört, oder?«
    Rachel sah aus, als würde sie tatsächlich über meine Worte nachdenken. »Kann ich nicht sagen, nein. Wo ist der Brief?«
    Ich deutete ins Wohnzimmer. »In einem weiteren Beutel auf dem Sofa. Machen Sie ihn nicht auf.«
    Rachel ging zum Sofa, beugte sich über den Brief und überflog die handschriftlichen Zeilen. »Er ist nicht unterschrieben.«
    »Selbstverständlich nicht. Fielding konnte schließlich nicht wissen, wer ihn alles sehen
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