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Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Titel: Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel
Autoren: Reclam
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Schüler gewesen. Andere Straßburger Freunde hatten noch weitere Quellen über Lenz zutage gefördert und veröffentlicht. Schon während seiner beiden Straßburger Studienjahre hatte sich Büchner mit dem Material auseinander gesetzt. Erst die überaus schmerzhafte Erfahrung des Getrenntseins von seiner Verlobten Wilhelmine Jaeglé durch seinen Weggang nach Gießen brachte Georg Büchner jedoch in ein persönliches Verhältnis zu dem Stoff. Das von Oberlin festgehaltene genaue Psychogramm des verstörten Lenz half Büchner, eigene Gefühlserlebnisse zu gestalten. Seine literarische Schilderung einer schizophrenen Psychose hält auch dem kritischen Urteil der modernen Fachmedizin stand. Büchners innere Nähe zu Lenz wie auch die Zustimmung, mit der er dessen Theaterstücke studierte (
Woyzeck
ist in manchen Zügen erkennbar von den
Soldaten
, einem Drama von Lenz, beeinflusst), veranlassten ihn im Gegenzug, der Novellenfigur Überzeugungen vom Wesen und Zweck der Kunst in den Mund zu legen, die seinen eigenen Auffassungen in vieler Hinsicht entsprachen. In dem berühmten Kunstgespräch der Novelle heißt es: »Die Leute können auch keinen Hundsstall zeichnen. Da wolle man idealistische Gestalten, aber alles, was ich davon gesehen, sind Holzpuppen. Dieser Idealismus ist die schmählichste Verachtung der menschlichen Natur. Man versuche es einmal und senke sich in das Leben des Geringsten und gebe es wieder, in den Zuckungen, den Andeutungen, dem ganzen feinen, kaum bemerkten Mienenspiel; er hätte dergleichen versucht im ›Hofmeister‹ und den ›Soldaten‹. Es sind die prosaischsten Menschen unter der Sonne; aber die Gefühlsader ist in fast allen Menschen gleich, nur ist die Hülle mehr oder weniger dicht, durch die sie brechen muß. Man muß nur Aug und Ohren dafür haben. […] Man muß die Menschheit lieben, um in das eigentümliche Wesen jedes einzudringen, es darf einem keiner zu gering, keiner zu häßlich sein, erst dann kann man sie verstehen; das unbedeutendste Gesicht macht einen tiefern Eindruck als die bloße Empfindung des Schönen […].« Diese Passage wirkt, wie oft gesagt worden ist, wie das literarische Programm des in Inhalt und Form so neuartigen
Woyzeck
.
    Die Veröffentlichung der
Lenz
-Novelle scheiterte einmal mehr an politischen Widrigkeiten. Gutzkow hatte im August 1835 die Gründung einer neuen Zeitschrift, der
Deutschen Revue
, angekündigt, in der auch der
Lenz
gebracht werden sollte. Diese Zeitschrift wurde noch vor Erscheinen der ersten Nummer verboten, Gutzkow und sein Verleger wurden angeklagt und Gutzkow kam wegen antireligiöser Tendenzen seines jüngsten Romans ins Gefängnis. Die Autoren und Verleger des zusammenfassend so genannten »Jungen Deutschland« (Autoren, die politisch engagierte Werke verfassten) wurden von der Deutschen Bundesversammlung Ende des Jahres erheblichen Restriktionen unterworfen, was ihre literarische Tätigkeit auf Jahre hinaus sehr erschwerte.
    Unter dem Eindruck dieser Entwicklungen ließ Georg Büchner in Straßburg seine noch unfertige Novelle liegen und wandte sich vorerst der Wissenschaft zu, um auf sie seine Existenz zu gründen. Die praktische Medizin hatte er aufgegeben. Nun wollte er wissenschaftlich forschen, um den Doktorgrad und danach die Habilitation zu erwerben, womit er an einer Universität würde lehren können. Die 1833 gegründete Zürcher Hochschule bot für diesen Plan die besten Voraussetzungen. Im Winter 1835 auf 1836 präparierte Büchner monatelang die Köpfe von Flussbarben und entdeckte dabei eine bis dahin unbekannte Verbindung unter den Kopfnerven dieser Fische. Die medizinisch-philosophische Abhandlung fand bei seinen ehemaligen Straßburger Professoren viel Beifall und ebenso an der Universität Zürich, deren philosophische Fakultät Büchner am 3. September 1836 die Doktorwürde verlieh und ihm das Recht einräumte, als Privatdozent Vorlesungen zu halten. Bereits im späten Frühjahr hatte Büchner begonnen, erste Vorlesungen über philosophische Themen (Descartes, Spinoza) zu konzipieren. Dabei konnte er auf Vorarbeiten aus seiner Studienzeit zurückgreifen. Parallel dazu schrieb er an zwei Theaterstücken:
Leonce und Lena
und
Woyzeck
.
    Die erste Fassung von
Leonce und Lena
entstand als Beitrag für einen vom Cotta-Verlag ausgeschriebenen, gut dotierten Wettbewerb um das »beste ein- oder zweiaktige Lustspiel in Prosa oder Versen«. Georg Büchner schickte sein Stück im Sommer 1836 verspätet ein und erhielt es
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