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Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel

Titel: Georg Büchner, "Woyzeck" - Textausgabe + Lektüreschlüssel
Autoren: Reclam
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hielt er sich fern. Er studierte die Geschichte der Freiheitskämpfe und kam zu der Einsicht, dass Freiheit im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer nur gewaltsam errungen worden sei. Wer aber Gewalt braucht, macht sich schuldig. Auch verabschiedete er sich von dem Glauben, dass heroische Einzelne geschichtliche Entwicklungen lenken könnten. Doch auch angesichts der Ohnmacht des Einzelnen gegenüber »dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte« (an Wilhelmine Jaeglé, März 1834) glaubte sich Georg Büchner seiner revolutionär-aufklärerischen Mission nicht entziehen zu können. Durch August Becker, seinen engsten Gießener Freund, machte er die Bekanntschaft von Friedrich Ludwig Weidig, Rektor der Butzbacher Lateinschule, der den Behörden des Großherzogtums nicht zu Unrecht als »die Seele der staatsgefährdenden Unternehmungen« galt (nach Hauschild,
Bildmonographie
, S. 50). In Absprache mit Weidig verfasste Büchner im Frühjahr 1834 eine Flugschrift, die die hessischen Bauern und Handwerker darüber aufklären sollte, wie der Staat erst durch die ihnen auferlegten drückenden Steuern und Abgaben stark genug wurde, um sie in Abhängigkeit zu halten. Diesen Zusammenhang belegte Büchner mit offiziellem statistischem Material aus dem großherzoglichen Finanzhaushalt. Rückblickend urteilte Büchner in dem bereits erwähnten Brief vom Sommer 1836 aus Straßburg an Karl Gutzkow, dass es für die Revolutionierung der »großen Klasse« »nur zwei Hebel« gäbe: »materielles Elend und
religiöser Fanatismus.
Jede Partei, welche diese Hebel anzusetzen versteht, wird siegen.« Diese Hebel suchte Büchners Flugschrift, mit ihrer Analyse der materiellen Ungerechtigkeiten und der wirkungsvoll eingesetzten Bibelsprache, zu bedienen. Weidig nahm erhebliche Änderungen an Büchners Manuskript der Flugschrift vor, um die liberale Opposition, die Büchner wegen ihres unverkennbar dominierenden Eigeninteresses scharf angegriffen hatte, nicht zu brüskieren. Auch wenn die endgültige Fassung des
Hessischen Landboten
für Büchner daher unbefriedigend war, nahm er Anfang Juli gemeinsam mit einem Mitstudenten die gefahrvolle Aufgabe auf sich, die Flugschrift, in einer Botanisiertrommel versteckt, zur Drucklegung nach Offenbach zu bringen.
    Noch bevor der
Hessische Landbote
gedruckt wurde, hatte Georg Büchner während der Semesterferien des Frühjahrs 1834 in Darmstadt nach französischem Vorbild eine »Gesellschaft der Menschenrechte« ins Leben gerufen, der sich zwei ehemalige Klassenkameraden, ein weiterer Mitstudent und drei Handwerker anschlossen. Eine Sektion der Gesellschaft gründete Büchner zu Anfang des Sommersemesters in Gießen. Der Gießener Sektion wurde schon nach wenigen Wochen von zwei Konkurrenzorganisationen der Rang abgelaufen, die unter dem Einfluss Weidigs standen. Weidig selbst hielt wenig von solchen konspirativen Zellen, die in Deutschland eine noch neuartige Form der politischen Arbeit darstellten. Um diese und andere Meinungsverschiedenheiten zu erörtern und vor allem das weitere Vorgehen zu besprechen, berief Weidig für den 3. Juli 1834 eine geheime Delegiertenversammlung der hessischen Opposition auf der einsam zwischen Gießen und Marburg gelegenen Ruine Badenburg ein. Die dortige Aussprache bestätigte Weidigs alle Oppositionskräfte einbeziehende Linie. Georg Büchners klassenkämpferischer Ansatz fand wenig Unterstützung. Man beschloss, eine Zeitschrift für die bürgerlichen Oppositionellen und eine Serie von Flugschriften in Angriff zu nehmen. Zudem besprach man, wie die Verteilung des
Hessischen Landboten
erfolgen solle.
    Dieser Plan wurde den Behörden durch einen Verräter bekannt. Die beiden Studenten, die die erste Druckauflage von über 1200 Exemplaren Ende Juli in Offenbach abholten, wurden mit einem Teil der Auflage verhaftet. Georg Büchner war als Verfasser der Flugschrift ebenfalls denunziert worden; jedoch verzichtete der zuständige Universitätsrichter aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst darauf, ihn festnehmen zu lassen. So konnte Büchner den Sommer unbehelligt im Elternhaus in Darmstadt verbringen, wo er auf Geheiß seines Vaters auch das Wintersemester über blieb, um sich konzentrierter seinen Studien zu widmen und unter seiner Aufsicht im Stadtspital Vorlesungen über Anatomie zu halten. Zwar berief Georg Büchner im Herbst noch einige Versammlungen der Darmstädter »Gesellschaft für Menschenrechte« ein; zwar wurden die 800 Exemplare des
Landboten
, deren
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