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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Autoren: Thomas Buehrke
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Melodien vom Institut Garnier zu seinem Wohnhaus. Auch das hölzerne Ohr vereinfachte er bald zu einem schlichten Trichter, an dessen kleinen Ausgang er die Membran mit dem Stromaufnehmer spannte.
    Mit der weiterentwickelten Form des Telefons fuhr Reis am 26. Oktober 1861 nach Frankfurt, um es dem Physikalischen Verein vorzuführen. Diese von naturwissenschaftlich interessierten Bürgern gegründete Institution hatte ihr Gebäude unmittelbar neben dem heutigen Senckenberg-Museum und kann in gewisser Weise als Keimzelle der späteren Universität gesehen werden. Reis war seit seiner Frankfurter Zeit Mitglied im Physikalischen Verein.
    Reis stellte den Empfänger in dem gut besuchten Hörsaal auf und installierte das Mikrofon in einem rund hundert Meter entfernten Nachbargebäude. Offenbar gelang die Übertragung von nicht zu laut gesungenen Melodien recht gut, während gesprochene Worte weniger deutlich erkennbar waren. Reis beendete seinen Vortrag denn auch mit den Worten, dass bis zur praktischen Verwertung des Telefons noch viel zu tun übrig bliebe. Dennoch muss die Vorführung einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, denn Rudolph Christian Boettger, der im Physikalischen Verein den Lehrstuhl für Physik und Chemie innehatte, sah es als durchaus möglich an, dass man irgendwann in der Lage sein würde, über Hunderte von Kilometern hinweg telefonieren zu können.
    Reis beließ es jedoch nicht bei der Vorführung des Apparates, sondern lieferte auch eine Einführung in die Entstehungund physikalische Darstellung von Tönen, wobei er sich auf Autoritäten wie Hermann von Helmholtz berief. Drei Wochen später hielt er an derselben Stelle einen Vortrag über »Wahrnehmung der Akkorde und der Klangfarben«. Dies zeigt, dass Reis nicht nur Tüftler und Erfinder war, sondern sich um eine grundlegende physikalische Erklärung aller Vorgänge bemühte, die mit der Technik des Telefons zusammenhingen.
    Die neue Erfindung sprach sich herum, und so durfte Reis am 11. Mai 1862 vor dem Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt darüber referieren. Auch hier verlief die Vorführung nicht so gut wie erhofft. Dennoch waren die Zuhörer beeindruckt. Sie verliehen Reis daraufhin die Meisterwürde, eine besondere Auszeichnung der freien wissenschaftlichen Institution. Bedeutend sollte später noch der Umstand werden, dass im Auditorium der preußische Telegrafeninspektor Wilhelm von Legat saß. Auch er war sich bewusst, dass das Telefon »noch eines erheblichen Fortbaues bedürfe«, wagte aber die Prognose, dass eine praktische Verwertung »noch in unserem intelligenten Jahrhundert nicht ausbleiben« würde. 8
    Angespornt von diesen ersten öffentlichen Auftritten setzte Reis nun alles daran, sein Telefon zu verbessern. Insgesamt entwickelte er zehn bis zwölf unterschiedliche Mikrofone und vier Empfängertypen. 1863 stellte er eine Version vor, die mittlerweile sehr funktionsfähig und robust war. Das Mikrofon bestand nun aus einem würfelförmigen Holzkasten. An einer Seite war ein kurzes Metallrohr mit erweitertem Mundstück angebracht. Sprach man in das Mundstück hinein, so wurde eine im oberen Deckel des Kastens angebrachte Membran zum Schwingen gebracht. Wieder dienten zwei Platinelektroden als Strommodulierer. Außerdem hatte Reis eine Taste angebracht, mit der er den Stromkreis mechanisch öffnen und schließen konnte, um dem Angerufenen das Signal zu geben, dass er zum Sprechen bereit sei. Das entspricht dem heutigen Klingelton. Als Empfänger diente weiterhin die Stricknadelspule auf einem Holzkasten. Als zusätzlichen Resonanzkörperhatte er einen Deckel angebracht, so dass sich die Spule nun im Innern der Kiste befand.
    Bemerkenswerterweise entwickelte Reis auch die interessante Variante des elektromagnetischen Empfängers: Er umwickelte zwei Magneten mit einem Draht und befestigte sie parallel nebeneinander auf einem Resonanzboden. Vor den beiden Enden hing ein bewegliches Metallplättchen, das an einem Metallrahmen angebracht war. Zwischen diesem Plättchen und den Elektromagneten blieb ein millimeterdünner Luftspalt. Floss nun der vom Mikrofon kommende modulierte Strom durch den Elektromagneten, so wurde das Plättchen in schneller Folge angezogen und von einer rückwärtig angebrachten Spiralfeder wieder zurückgezogen. Diese Schwingung übertrug sich auf den Resonanzboden, der die Töne des Senders wiedergab.
    Im Juli 1863 führte Reis die Variante mit dem Stricknadelempfänger auf einer Holzkiste erneut im
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