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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Autoren: Thomas Buehrke
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umgehend eine Stelle an seinem Institut an. Reis sagte zu. Und da er auch noch das Erbe der Großmutter erhielt, das neben Bargeld dreißig Grundstücke umfasste, war er finanziell abgesichert. Um das Leben vollends abzurunden, fehlte ihm nur noch eine Familie, aber nicht mehr lange: Schon im Herbst 1858 heiratete er Margarethe Schmidt, die Tochter seines Onkelsund Vormunds aus Gelnhausen. Und damit auch alles seine Richtigkeit hatte, kaufte er ein Haus in der besten Gegend und setzte noch kurz vor der Hochzeit sein Testament auf, in dem er seine zukünftige Frau und mögliche Kinder als Erben einsetzte. Damit war alles geregelt im Leben des Philipp Reis, und die Geschichte hätte hier enden können – wenn da nicht dieser Drang zum Experimentieren gewesen wäre.
    Reis hatte sich in einem Gebäude der Schule ein Laboratorium mit Dreh- und Hobelbank sowie allerlei sonstigem Handwerkszeug eingerichtet. Hier entstand eine Vorrichtung, mit der seine Frau im ersten Stock des Wohnhauses per Fußpedal die Haustür öffnen konnte. Außerdem baute er einen Wassermesser für den großen Brunnen des Ortes, und vermutlich entstand noch vieles andere, was heute verschollen ist. Doch bei all diesen Tüfteleien kam ihm immer wieder seine mittlerweile neun Jahre zurückliegende Idee ins Gedächtnis: »Jugendeindrücke sind aber stark und daher nicht leicht zu verwischen«, notierte er später. »Ich konnte den Gedanken an jenen Erstlingsversuch und seine Veranlassung trotz aller Einsprüche des Verstandes nicht loswerden … Wie sollte ein einziges Instrument die Gesamtwirkung aller bei der menschlichen Sprache bethätigten Organe zugleich reproduzieren?« 3
    Bevor wir Philipp Reis auf dem von ihm eingeschlagenen Lösungsweg folgen, vergegenwärtigen wir uns den Stand der Informationsübertragung zu seiner Zeit. Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Frankreich die ersten optischen Nachrichtenstationen errichtet. Das waren hohe Holzmasten mit Querbalken, an deren Enden kleinere, bewegliche Hölzer angebracht waren. Durch Ziehen an Schnüren ließen sich die hölzernen Arme verstellen und verschlüsselte Nachrichten von einem Posten zum nächsten übertragen. Um 1800 gab es lange Nachrichtenlinien, die von Frankreich ausgehend bis nach Norditalien reichten. Auch in anderen europäischen Ländern entstanden solche optischen Telegrafen. Die Nachteile waren offensichtlich: Sie funktionierten weder bei Dunkelheit nochbei schlechter Sicht, und sie waren leicht von jedermann einsehbar – ein gravierendes Problem, da diese »Sendemasten« militärisch-politischen Zwecken dienten.
    Nachdem Alessandro Volta 1799 die erste Batterie gebaut hatte, stand erstmals eine leistungsfähige Stromquelle zur Verfügung. Schnell kam die Idee auf, dass man Informationen in Form von elektrischen Signalen übertragen kann. Unterschiedliche Varianten wurden entwickelt, die zunächst unter anderem darunter litten, dass die Signale zu rasch in den Stromkabeln versiegten. Anfängliche Reichweiten von wenigen Kilometern waren unbefriedigend.
    Entscheidender Antrieb für die Weiterentwicklung von Telegrafenleitungen war dann die Eisenbahn. Nachdem 1825 in England die erste öffentliche Bahnlinie in Betrieb gegangen war, hielt das Dampfross bald auch in anderen Ländern Europas und in den USA Einzug. Die Telegrafie sollte nun diesen Eisenbahnverkehr regeln. 1836 entwickelt Carl Steinheil in München speziell hierfür einen Fernschreiber. Fast gleichzeitig baute Samuel Morse in den USA einen Telegrafen und kreierte das nach ihm benannte Funkzeichensystem. 1844 beförderte er damit zwischen Washington und Baltimore das erste Telegramm. Danach schritt die Entwicklung rasant voran. In den USA war das Telegrafennetz bis 1866 auf fast 60000 Kilometer angewachsen.
    In Deutschland hatte Werner Siemens einen Zeigertelegrafen entwickelt, dieser bildete die Grundlage seiner Firmengründung. Bald entstanden in Europa nationale Telegrafendienste, so entwickelte sich der 1854 eingerichtete Deutsch-Österreichische Telegrafenverein zum Kern des europäischen Telegrafenverbunds. Spektakulär war auch das erste Unterseekabel, das 1850 zwischen Frankreich und England verlegt wurde. Die erste Transatlantikverbindung ging nach mehreren Fehlschlägen 1866 in Betrieb.
    Als sich Philipp Reis mit der Frage plagte, wie sich menschliche Sprache auf elektrischem Wege übertragen ließe, befandsich die Telegrafie also gerade auf ihrem Siegeszug und schien alle Wünsche der schnellen
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