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Dunkel

Dunkel

Titel: Dunkel
Autoren: James Herbert
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TEIL EINS
    ... Und Gott sah, daß das Licht gut war: da schied Gott das Licht von der Finsternis . Genesis 1:4

    Es war ein strahlender, sonniger Tag. Kein Tag für eine Geisterjagd, wie man meinen sollte. Und ebenso war das Haus keines jener Häuser, das man für verhext halten würde. Aber andererseits kümmern sich psychische Phänomene kaum um Zeit, Ort oder Wetter.
    Die Straße schien freundlich, eine ganz gewöhnliche Straße, eben mit dieser frühmorgendlichen vorstädtischen Ruhe, die Viertel ausstrahlen, die nur Minuten von den Hauptverkehrsstraßen entfernt sind. Die Häuser selbst waren eine eigenartige Mischung aus Doppelhäusern und alleinstehenden Gebäuden; helle neue Stadthäuser leuchteten am anderen Ende, vom täglichen Schmutz noch nicht besudelt.
    Ich fuhr langsam die Straße hinunter, suchte nach dem richtigen Haus und hielt am Straßenrand, als ich das Schild sah. »Beechwood.« Wenig beeindruckend.
    Dies war eines der einzelstehenden Häuser, groß mit grauen Ziegeln, viktorianisch. Ich nahm meine Brille ab und legte sie ins Handschuhfach; dann rieb ich meine Augen und lehnte mich zurück, um das Haus ein paar Augenblicke anzusehen.
    Den kleinen Bereich davor, der offensichtlich einmal ein Garten gewesen war, hatte man jetzt betoniert; er bildete einen Parkplatz, aber Autos standen nicht darauf. Man hatte mir gesagt, daß das Haus leer sei. Die Fenster waren durch das Funkeln der Sonne undurchsichtig und für einen kurzen Augenblick schien es, als ob das Haus selbst mich durch eine verspiegelte Sonnenbrille anstarrte.
    Ich schüttelte dieses Gefühl rasch ab — Einbildungskraft konnte bei meinem Job zuweilen hinderlich sein - und langte zum Rücksitz. Der schwarze Koffer war weder groß noch schwer, aber er enthielt fast meine gesamte Ausrüstung. Die Luft war entschieden scharf, als ich auf das Pflaster trat, Hinweis darauf, daß es bald Winter werden würde. Eine Frau, deren kleines Kind es vorzog zu hüpfen statt zu gehen, warf mir im Vorbeigehen einen neugierigen Blick zu, als ob meine Anwesenheit, in ihrer Straße eine Routine durchbrochen hätte. Ich nickte, aber bei diesem Kontaktversuch erlosch ihr Interesse.
    Nachdem ich meinen Wagen verschlossen hatte, überquerte ich den Beton und stieg die fünf Stufen hoch, die zur Vordertür führten. Dort blieb ich stehen, stellte den Koffer ab und suchte nach dem Schlüssel. Der daran befestigte Adreßanhänger flatterte im Wind, als ich den Schlüssel ins Schloß steckte. Aus irgendeinem Grund verharrte ich und lauschte, bevor ich die schwere Türe auf stieß, und spähte durch die Bleiverglasung des Oberteils. Es gab weder Geräusche noch sich bewegende Schatten.
    Ich war nicht nervös, von besorgt ganz zu schweigen, weil ich keinen Grund dafür sah. Ich nahm an, daß mein anfängliches Zögern auf reine Vorsicht zurückzuführen war. Leere Häuser brachten mich immer dazu. Die Tür schwang auf, und ich nahm meinen Koffer, und ging hinein und schloß die Tür hinter mir.
    Die Sonnenstrahlen fielen gleißend durch das Bleiglas der Tür und durch die Fenster, sie warfen meinen Schatten auf den Korridor. Eine breite Treppe, die nur anderthalb Meter von meinem Standort begann, verschwand zum oberen Teil des Hauses - und von oben, nahe dem Treppenabsatz der ersten Etage, baumelte ein Paar Beine.
    Ein Schuh — der eines Mannes — war heruntergefallen und lag seitlich mitten auf der Treppe; ich konnte sehen, daß der Hacken der Herrensocke abgetragen war, das rosa Fleisch schimmerte fast durch das dünne Gewebe. Die Wand hinter den hängenden Beinen war abgescheuert und schwarz, als sei sie durch den Todeskampf gezeichnet worden. Ich erinnere mich, daß ich den Koffer fallenließ und langsam durch den Korridor ging, dabei den Kopf nach oben reckte und die Treppe nicht hochsteigen wollte, aber seltsam neugierig darauf war, den Rest des Leichnams zu sehen. Ich erinnere mich nur noch, daß ich in das Düster des Treppenhauses schaute und das aufgequollene Gesicht über dem grotesk gestreckten Hals sah, die lächerlich kleine Plastikschlinge, die kaum mehr als acht Zentimeter Durchmesser haben mochte und so in sein Fleisch biß, als hätte jemand an seinen Beinen gezogen, um sie festzuziehen.
    Ich erinnere mich, wie der Geruch des Todes mich überkam, schwach, aber übersättigend, schwer faßbar, aber überall. Er war frisch, nicht wie der schwere, beißende Geruch alter Leichen.
    Schließlich wich ich zurück und blieb stehen, als ich den Türrahmen
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