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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Autoren: Thomas Buehrke
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übertragen. Der Physiker Hermann Helmholtz sagte 1863, die Telegrafie sei für die moderne Gesellschaft das geworden, was das Nervensystem für den einzelnen Menschen sei.
    Im Jahre 1854 schlug der Franzose Charles Bourseuil einen Apparat vor, bei dem man gegen eine biegsame Metallplatte sprach und diese dadurch in Schwingungen versetzte. Diese Schwingungen sollten einen Stromkreis abwechselnd öffnen und schließen. Der so modulierte Strom sollte dann beim Empfänger eine zweite Platte zum Schwingen bringen und dieTöne wiedergeben. Bourseuil gelang es aber nicht, einen funktionierenden Fernsprecher herzustellen.
    Weiter gediehen waren dagegen die Versuche des Unternehmers Antonio Meucci. Der in der Nähe von Florenz geborene Chemiker und Mechaniker war in die USA ausgewandert und hatte dort eine Kerzenfabrik gegründet. Im Jahre 1854 erkrankte seine Frau so schwer an Rheuma, dass sie das Bett nicht mehr verlassen konnte. Daraufhin baute Meucci einen Apparat, mit dem er von seinem Büro aus mit ihr Kontakt halten konnte. Angeblich demonstrierte er ihn in New York, doch ist darüber nur wenig bekannt. Er selbst beschrieb 1857 in einer italienischsprachigen Zeitung von New York die Funktionsweise so: »Es besteht aus einer schwingenden Membran und einem Magnet, der von einem umgebenden Draht elektrifiziert wird. Wenn die Membran schwingt, variiert der Magnet den Strom in dem Draht. Sobald diese Änderungen das Ende des Drahtes erreicht haben, erzeugen sie ähnliche Schwingungen in einer Empfangsmembran, welche die Worte wiedergibt.« 10 Allerdings hat Meucci nie eine wissenschaftlich detaillierte Abhandlung darüber veröffentlicht, und keines seiner Geräte ist erhalten geblieben. Als seine Fabrik pleiteging und er durch Spekulationen sein Vermögen verloren hatte, besaß er nicht genügend Geld, um sein Telettrofono, wie er es nannte, patentieren zu lassen. Er konnte lediglich ein vorläufiges Patent beantragen, das er ständig erneuern musste. Als ihm dafür die nötigen zehn Dollar fehlten, lief das Patent 1873 aus. Das sollte Folgen haben.
    Schon 1844 hatte der italienische Erfinder Innocenzo Manzetti angeblich beschrieben, wie man einen sprechenden Telegraphen bauen könne. Doch erst 1865 – also nach Reis – baute er sein Gerät und stellte es der Presse vor. Demnach konnte man damit über eine Strecke von einem halben Kilometer kommunizieren. Manzetti beantragte jedoch nie ein Patent.
    In diese undurchsichtige Gemengelage von Ideen und Geräten platzte Alexander Graham Bell. Er präsentierte 1876 aufder Weltausstellung in Philadelphia sein Telefon, das er kurz zuvor bereits hatte patentieren lassen. Bell ging als Erfinder dieses Apparates in die Geschichte ein und legte den Grundstein für dessen Siegeszug. Aus seiner 1877 gegründeten Firma Bell Telephone Company ging 1885 AT&T hervor, das zum weltgrößten Telefonkonzern aufstieg.
    Der 1847 im schottischen Edinburgh geborene Bell war Sprachtherapeut und beschäftigte sich mit Taubstummen. Nachdem er mit seinen Eltern zunächst nach Kanada ausgewandert war, übernahm er 1873 eine Professur für Sprechtechnik und Physiologie der Stimme an der Universität Boston. Ähnlich wie Reis beschäftigte er sich ausführlich mit der Physik der Tonwahrnehmung.
    Irgendwann muss Bell von dem Reis’schen Telefon erfahren haben, die große Frage, wann dies zum ersten Mal war, lässt sich aber nicht eindeutig beantworten. Jedenfalls hat er die Fachliteratur ausführlich studiert. So zitierte er 1877 in einer Veröffentlichung fast zwanzig »Vorerfinder« des Telefons, und er kannte drei Veröffentlichungen zu den Reis’schen Versuchen, darunter die von Legat. Vielleicht verstand er nicht alle Details der in Deutsch verfassten Veröffentlichung, aber allein die Konstruktionszeichnungen verrieten sehr viel. Wann Bell erstmals ein Reis’sches Telefon zu Gesicht bekam, ist ebenfalls unklar. Er selbst sagte später vor Gericht aus, er habe im November 1874 erstmals einen »Reis-Empfänger zu hören und zu sehen bekommen«. 11 In seinem 1908 erschienenen Buch behauptete er, das Reis-Telefon sei nicht sprechfähig gewesen.
    Das Grundprinzip von Bells Telefon entsprach dem von Reis, wobei Bells geniale Idee darin bestand, Sender und Empfänger auf identische Weise zu konstruieren. Sie setzten sich jeweils aus einer biegsamen Metallmembran und einem Hufeisenmagneten zusammen, der mit einer Drahtspule umwickelt war. Die beim Sprechen erzeugten Schalldruckwellen setzten die
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