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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Autoren: Thomas Buehrke
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Membran in Schwingungen, die sich auf das Magnetfeld übertrugen. Dadurch änderte sich die Stärke des anfangsgleichmäßig fließenden elektrischen Stroms. Dahinter steckt das physikalische Gesetz der Induktion. Das Signal ging durch die Drahtverbindung zum Empfänger, wo der umgekehrte Vorgang stattfand und die schwingende Metallmembran die Töne hörbar machte.
    Als Bell für diesen Apparat am 14. Februar 1876 das Patent erteilt wurde, profitierte er von einem wenige Jahre alten Beschluss, dass man beim Patentantrag kein funktionierendes Modell vorweisen musste. Sein erstes Exemplar funktionierte nämlich nicht. Erst wenige Monate später konnte er auf der Weltausstellung in Philadelphia sein Telefon erfolgreich präsentieren. Bell hatte es mit dem Patent so eilig, weil er von Konkurrenten wusste. Nur zwei Stunden nach Bell reichte der amerikanische Handwerker und Erfinder Elisha Gray ein vorläufiges Patent für ein Flüssigkeitsmikrofon und einen elektromagnetischen Hörer ein – zu spät.
    Nun ging es Schlag auf Schlag. Nachdem sich das Potenzial dieser Erfindung abzeichnete, kam es zu einem der größten Patentstreits in der Geschichte mit rund 600 Verfahren. Lediglich der Streit um die Erfindung des Computers kann in dieser Hinsicht mithalten.
    Allerdings wies Bells Apparat dasselbe Problem auf wie der von Reis: Gesprochene Worte wurden nicht deutlich genug wiedergegeben. Dies änderte sich 1878, als Thomas Alva Edison das Kohlemikrofon erfand. Darin fließt der elektrische Strom durch eine mit Kohlekörnern gefüllte Dose, deren Oberseite mit einer dünnen Papiermembran verschlossen ist. Treffen Schalldruckwellen auf die Membran, so werden die Körner zusammengepresst. Damit erhöht sich ihre Leitfähigkeit. Entsteht umgekehrt ein Unterdruck, verringert sich die Leitfähigkeit, und es kann weniger Strom fließen. Dieser modulierte Strom gelangt dann durch die Telefonleitung, wo – wie gehabt – eine Membran die Töne wiedergibt.
    Bell ging aus der Patentschlacht als endgültiger Sieger hervor. Im März 1888 sprach ihm der Oberste Gerichtshof derUSA in Boston die alleinige Priorität des Telefons zu, nachdem er dort den Erfindereid geschworen hatte, nach seinem Wissen der Ersterfinder zu sein. In der Urteilsbegründung heißt es süffisant: »Es geht mit demselben [dem Reis-Telefon] wie mit den tauben und schwerfälligen Schülern des Professors Bell, welche wohl sprechen, aber nicht hören konnten … Ein ganzes Hundert von Erfindern wie Reis würde durch bloße Konstruktionsverbesserungen ein sprechendes Telefon nicht hervorgebracht haben.« 12 Wer also war der Erste?
    In Frankreich erklärte man natürlich Bourseuil 1889 zum Erfinder des Telefons, was ihm neben einer Ehrung eine monatliche Rente von 1200 Francs einbrachte. In den USA sprach im Jahr 2002 das amerikanische Repräsentantenhaus Meucci dieses Privileg zu. Der – vermutlich italoamerikanische – Abgeordnete Vito Fossella hatte diesen Antrag eingebracht »für alle Amerikaner italienischer Abstammung, die dazu beigetragen haben und noch dazu beitragen werden, dieses Land zum größten Land in der Weltgeschichte zu machen …« 13 Die Entscheidung fiel nach vierzig Minuten – und blieb folgenlos, sieht man einmal von einigen entsetzten Kommentaren, wie dem des letzten Biografen von Alexander Graham Bell, Robert Bruce, ab. Er meinte, Meuccis Erfindung sei nicht besser gewesen als die von zwei Getränkedosen, die man mit einer Schnur verbindet.
    In Deutschland feiern wir selbstverständlich Philipp Reis als den Erfinder des Telefons. Tatsache ist, dass sich die Funktionsweise seiner Telefone wesentlich besser beurteilen lässt als die von Meucci oder gar Manzetti, von denen kaum nachprüfbare Zeugnisse vorliegen. Außerdem entspricht die von ihm entwickelte Technik weitgehend derjenigen der Bell-Telefone. Letztlich waren diese aber wohl wegen der Metallmembran zuverlässiger.
    Vielleicht halten wir es am ehesten mit einer wissenschaftlich ausgewogenen Beurteilung: »Beantworten kann man lediglich die Frage, welche Schritte von welchem Erfinder getanwurden, um das Telefon zu einer für praktische Zwecke brauchbaren Sprachübertragung zu bringen.« 14 Demnach hat Reis das Kontaktmikrofon und den magnetostriktiven Hörer erfunden, Bell lieferte den elektromagnetischen Hörer mit Druckkammer und Edison das Kohlemikrofon.

Charles Babbage, Ölbild von Samuel Laurence, London.

Logarithmentafeln so billig wie Kartoffeln
Charles Babbage und der
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