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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Autoren: Thomas Buehrke
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erste Computer
    Am Abend des 21. Juni 1833 fahren vor dem Haus in der Dorset Street 1 im vornehmen Westen Londons reihenweise Kutschen vor, denen elegant gekleidete Paare entsteigen. Der Mathematiker und Philosoph Charles Babbage hat wieder zu einer seiner beliebten Soireen geladen. Nicht nur in London, sondern im gesamten Königreich ist man begierig, eine Einladung zu erhalten. Mitglieder der gehobenen Gesellschaft unterschiedlicher Profession versammeln sich bei ihm. Neben berühmten Wissenschaftlern, wie dem Astronomen John Herschel oder dem Physiker Charles Wheatstone, geben sich der Schriftsteller Charles Dickens oder der damalige Bühnenstar William Charles Macready ebenso die Ehre wie etwa der Herzog von Wellington oder der Schatzkanzler Marquis of Lansdown.
    Babbage hat sich nicht nur als Mathematiker einen Namen gemacht, sondern ist auch politisch in Erscheinung getreten, zum Beispiel bei einer großen parlamentarischen Wahlrechtsreform. Dabei hat er sich beileibe nicht nur Freunde geschaffen. Mehrfach hat er heftig gegen das wissenschaftliche Establishment gewettert und insbesondere die Unfähigkeit der Royal Society gebrandmarkt, was verständlicherweise nicht überall auf große Gegenliebe stieß.
    Vor allem aber ist er von einer Sache geradezu besessen: von Automaten. Er hat große Visionen von der Automatisierung der Arbeit, vergisst darüber aber keinesfalls die sozialen Auswirkungen auf die Handwerker und die Arbeiterklasse. Seine ökonomischen Schriften zur Entwicklung der Arbeitsweltund des Kapitalismus stoßen auf großes Interesse. Später auch bei Karl Marx. Doch zurück in die Dorset Street.
    Die meisten Gäste unterhalten sich prächtig und greifen am Buffet herzhaft zu. Doch in einen der vielen Räume verirren sich nur wenige. Dort steht eine Maschine, deren Sinn und Zweck und vor allem Funktionsweise schleierhaft ist. Das metallene Wunderwerk besteht aus einer unübersehbaren Zahl von Stangen und Zahnrädern, die zu einem kompakten Apparat von der Größe eines Überseekoffers zusammengefügt sind. Geduldig erklärt Babbage interessierten Gästen seine »Differenzmaschine« – einem von ihm erdachten Rechenautomaten.
    Rund zehn Jahre lang hat er akribisch daran gearbeitet, Konstruktionspläne gezeichnet, eine völlig neue mechanische Notation erfunden, mit Instrumentenmachern diskutiert und unablässig um die Finanzierung gekämpft. Das Ergebnis steht nun in seinem Haus – allerdings nur als Demonstrationsmodell, einer verkleinerten Version. Der endgültige Automat würde aus rund 25000 Teilen bestehen, wäre gut zweieinhalb Meter hoch, zwei Meter breit und einen Meter tief gewesen und hätte circa 15 Tonnen gewogen. Auf dem Papier hat Babbage ihn schon lange fertig konstruiert, und ohne Frage würde er zu den faszinierendsten intellektuellen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts zählen. Doch die Differenzmaschine wird Theorie bleiben.
    An jenem Abend im Juni befinden sich zwei außergewöhnliche Damen in Dorset House: die ehemalige Gemahlin des legendären Dichters Lord Byron und deren Tochter Ada. Allein diese Verwandtschaft verleiht Mutter und Tochter einen geheimnisvollen Nimbus. Die 17-jährige Ada ist eine aufgeweckte junge Frau, die sich unter anderem für Mathematik begeistert und darin eine exzellente Privatausbildung erhalten hat.
    Ausgerechnet diese junge Dame interessiert sich brennend für die seltsame »Denkmaschine«, wie Lady Byron das Ungetüm nennt. »Während andere Besucher die Funktion dieses wunderbaren Instruments mit einem Gesichtsausdruck, ichwage sogar zu behaupten, mit einem Gefühl betrachteten, das so mancher Wilde beim Anblick eines Spiegels oder der erstmaligen Wahrnehmung eines Gewehrschusses empfunden haben mag … durchschaute Miss Byron, jung wie sie war, ihre Funktionsweise und vermochte die Schönheit der Innovation gebührend zu würdigen«, beschreibt später Lady Byrons Freundin Sophia de Morgan die Szene. 1 Ada ist von Babbages Maschine so begeistert, dass es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den beiden kommen wird.
    Obwohl es sich bei der Maschine nur um ein Demonstrationsmodell handelt, kann sie durchaus rechnen. Dafür muss Babbage eine Kurbel an der Seite der Maschine drehen, und schon setzen sich die Walzen und Zahnräder in Bewegung. Das Schnurren der Lager und Räder, das Klacken der Umsetzhebel und Zifferräder muss auf die Zuschauer faszinierend wirken, auch wenn sie überhaupt nicht verstehen, was dieses Ding genau tut. Auch
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