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Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes
Autoren: J Brekke
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P rolog
    E s gibt keine Monster unterm Bett.
    Er versucht ruhig zu atmen, so still zu sein, wie er nur kann, keinen Laut von sich zu geben. Vielleicht fin det ihn der Verrückte dann nicht, vielleicht macht er dann kehrt und geht einfach wieder. Aber will er das wirklich? Wenn die Gestalt jetzt verschwindet, nimmt sie dann Mama mit?
    Der Junge hat nur einen Arm gesehen, gehüllt in einen dieser groben Stoffe, wie der von Papas Arbeitskittel, wenn er sein Rennrad repariert oder im Haus arbeitet.
    Das Raumschiff, für das er beinahe eine Woche gebraucht hat, ist kaputt, die Einzelteile liegen überall am Boden verstreut. Einige davon am hinteren Ende des Bettes, unter dem er liegt. Bei seiner Flucht ins Schlafzimmer hat er das Raumschiff von dem grünen Plastiktisch geschlagen, den Papa und er bei Ikea gekauft hatten. Jetzt hat er Angst, dass der Verrückte draußen den Lärm gehört hat, als die Legosteine in alle Richtungen auseinanderflogen. Die Luke-Skywalker- Figur, die er sich schon so lange gewünscht und erst vor wenigen Tagen von seinen Eltern zum Geburtstag bekommen hat, liegt direkt vor seiner Nase und starrt ihn mit leeren, dunklen Augen an.
    Das Einzige, was er gesehen hat, war ein Arm und die Stange, die Mama direkt über dem Ohr getroffen hatte. Ihr Kopf war wie bei einer Stoffpuppe nach hinten geschleudert. Ihr Hals war so dünn und weiß. Blut hatte gespritzt, aber die runden, roten Tropfen waren irgendwie in der Luft hängen geblieben. Dann war Mama ohne einen Laut zu Boden gefallen, und er hatte einen Schritt nach hinten ausweichen müssen, damit sie ihn nicht traf. Und plötzlich war da dieser Schatten in der Tür gewesen, von dem er einfach nicht den Blick hatte abwenden können.
    Er weiß nicht, ob die Gestalt ein Mann oder eine Frau ist. Er weiß nur, dass sie böse ist. Eine Weile, einen tiefen Atemzug lang, hatte er sich gefragt, ob er seine Mama beschützen sollte. Doch dann war die Gestalt ins Haus gekommen, und als der Junge das Brecheisen mit dem Blut gesehen hatte – Mamas Blut –, hatte er sich umgedreht und war weg gerannt.
    Ich muss langsam atmen, denkt er. Lautlos.
    Er hört Schritte auf der Treppe. Schwere Schritte, wie die von Papa. Ist das Papa? Ist er gerade rechtzeitig nach Hause gekommen, um sie zu retten? Die Schritte bleiben oben an der Treppe stehen. Er versucht, nicht zu atmen. Spürt, wie sein Hals sich zuschnürt. Dann hört er die Schritte wieder. Sie kommen direkt auf ihn zu.
    Zwei Füße.Auf dem Weg zum Bett treten sie auf die Reste des Raumschiffs, sodass es ganz kaputt geht.
    Es gibt keine Monster unter dem Bett. Aber davor. Langsam geht die Gestalt in die Hocke. Der Junge hört den fremden Atem näher kommen. Dann dringt eine Stimme zu ihm:
    »Ich bin überall.«
    Eine Hand packt ihn an den Haaren und zieht ihn unter dem Bett hervor. Er will nicht schreien und hat nur einen Gedanken: Jetzt komme ich zu Mama.

Teil 1
    Edgar-Allan-Poe-Museum
    »Gott ist eine intelligible Sphäre, deren Zentrum überall und deren Umkreis nirgends ist.«
    Alain de Lille, ca. 1100

1
    Bergen, September 1528
    D er Bettelmönch hatte nicht viel Gutes über Bergen gehört, weder über die Stadt noch über das Land, Norwegen, in dem er einst geboren worden war, das er aber fast vergessen hatte. Ein verlorenes, weit entfernt liegendes Land hoch oben im Norden, hieß es, in dem es unendlich weit von einer Stadt zur anderen war. Trotzdem, Bergen hatte wenigstens eine gewisse Größe, und wenn der Barbier sich in dieser Stadt niedergelassen hatte, hieß das ja wohl, dass ihm die kleinen Jungs in der Stadt gaben, was er wollte.
    Die Kogge, auf der er von Rostock hierhergesegelt war, war eines der früher so häufigen Hanseschiffe, von denen hier oben noch einige genutzt wurden.Auf See verhielten sie sich zwar zuverlässig und gut, konnten sich aber mit den holländischen oder englischen Handelsschiffen nicht messen. Das Schiff hatte Mehl geladen, Salz und ein paar Fässer Bier, an denen die Mannschaft sich während der Überfahrt reichlich bedient hatte.Am letzten Abend der Seereise hatte es auf dem Vordeck unter lautem Geschrei eine Schlägerei gegeben, bis einer der Männer über Bord gegangen und ertrunken war. Der Stimmung hatte das einen herben Knick versetzt, da der Verstorbene erst vierzehn Jahre alt gewesen war und von allen gemocht wurde. Der Bettelmönch teilte diese Meinung nicht und war fast zufrieden über die Geschehnisse, denn der Ertrunkene hatte jede Nacht gegrölt und gelärmt
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