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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut
Autoren: Elke Pistor
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entspannt.«
    »Bist du mit ihr über Nacht zusammengeblieben?«
    »Wir haben lange getanzt. Dann ist sie nach Hause gegangen.«
    Ich drehte mich zur Seite und setzte mich auf die Bettkante.
    »Warum hast du mich bei jeder Gelegenheit angegriffen?«
    »Ich hatte Angst vor dem, was du herausfinden würdest.«
    »Ich hatte auch Angst vor dem, was ich herausfinden würde.«
    »Du dachtest, ich hätte …«
    »Eine Zeit lang.«
    »Ich liebe sie. Auch wenn mir die Konsequenzen klar sind.«
    »Sie hat dich verraten!«
    Olaf schwieg lange. Die Fliege rannte über den Verband an Olafs Handgelenk.
    »Sie hat mir die Seele zerschnitten«, flüsterte er.
    »Ich weiß.«
    Nach dem Gespräch mit Olaf fiel es mir schwer, zu Hermann zu gehen. Mein Bruder und mein Vater. Beide zu Schaden gekommen an Körper und Seele durch dieselbe Frau.
    Ich blieb vor Hermanns Zimmertür stehen. Meine Hand bebte, als ich sie auf die Klinke legte und behutsam die Tür öffnete. Hermann war wach. Ein Strahlen breitete sich über seine Züge.
    »Ina.« Überraschung, Frage, Freude, alles in diesem einen Wort.
    »Hallo, Pap.« Ich ging zu ihm hin und küsste ihn auf die Stirn.
    Er fasste mich am Arm, zog mich näher zu sich heran. »Geht?«
    »Ja.« Ich lächelte, setzte mich auf die Bettkante und nahm seine Hand. Sie fühlte sich an, wie Vanillestangen riechen. Warm. Samtig. Geborgen. »Es geht.«
    Er legte den Kopf schief und fixierte mich mit seinen Blicken. Mit Worten hätte er nicht eindringlicher auf mich einreden können.
    »Du hattest recht.« Ich betrachtete unsere verschränkten Hände. »Maria ist böse.«
    »Ria. Böse.« Er nickte.
    »Du hast sie erkannt.«
    »Ja.«
    »Wusstest du, dass sie Prutschiks Mörderin war?« Ich sah ihn an.
    Hermanns Augen wurden weit.
    »Sie dachte, du wüsstest es. Sie hatte Angst, du würdest sie verraten. Deshalb hat sie die Leiter angesägt. Sie wollte dich vom Reden abhalten.«
    »Töten.«
    »Ich habe dich nicht verstanden, als du mich warnen wolltest, Pap. Es tut mir leid.«
    »Ina.« Er streichelte meine Hand. Trost und Hoffnung in seinen Augen. Ich spürte, wie mir Tränen durch die Kehle krochen.
    »Sie ist verhaftet. Sie hat keine Chance, da rauszukommen. Nur das zählt.«
    »Olaf?«
    Ich zögerte. Wie viel vom dem, was geschehen war, sollte ich ihm sagen? Ich schluckte. Nur das, was er unbedingt wissen musste.
    »Er hat sie geliebt.«
    Hermann nickte.
    »Die Wahrheit tut ihm sehr weh.« Ich biss mir auf die Unterlippe. »Er wird uns brauchen. Eine Zeit lang. So wie ich euch beide gebraucht habe.«
    Unsere Blicke trafen sich.
    »Ich weiß noch nicht, ob ich bleibe, Pap. Ich weiß nicht, wie es mit mir weitergehen wird.«
    Er sah mich an und lächelte.
    Steffen saß vor dem Krankenhaus auf einer Bank in der Sonne. Als er mich aus dem Eingang kommen sah, stand er auf und ging mir entgegen.
    »Wird es besser?«, fragte er mich leise, ohne genau zu sagen, wen er meinte. Olaf, Hermann, mich?
    »Ich denke schon.« Obwohl er dicht vor mir stand, berührten wir uns nicht. »Es braucht Zeit. Alles.«
    »Wo willst du anfangen?«
    Ich setzte mich auf die einzige freie Bank vor der Eingangstür.
    »Ich hätte mich niemals darauf einlassen sollen, den Mörder im Alleingang zu fangen.« Ich streckte meine Beine aus und hieb die Hacken auf die Klinkersteine. »Es war dumm von mir und leichtsinnig, mich von euch dazu überreden zu lassen.«
    »Für Sauerbier war die Sache doch vom ersten Augenblick an klar.« Steffen setzte sich neben mich. »Ich denke nicht, dass er es so schnell geschafft hätte, Ina.«
    »Ich habe meinen Job riskiert. Er hätte mich komplett festsetzen können, der Herr Kommissar.«
    Steffen sog hörbar die Luft zwischen seinen Zähnen durch. Er stand auf, wandte sich ab und ballte die Hände zu Fäusten.
    »Verflucht, Ina. Hör endlich mit deinem Selbstmitleid auf. Du hast meine Unschuld bewiesen. Du bist Risiken eingegangen, weil du daran geglaubt hast. Du hast deinem Bruder das Leben gerettet. Maria Henk als Mörderin entlarvt. Was willst du denn noch? Du bist eine verdammt gute Ermittlerin, egal was gewesen ist.«
    Er drehte sich um und starrte mich an. »Ich will, dass du bleibst, Ina. Bei mir. Das ist mir gestern klar geworden. Aber es wird nicht funktionieren, solange du dir nicht selbst im Klaren darüber bist, was sein soll.« Die Spannung wich aus seiner Haltung. »Ich werde jetzt nach Hause fahren. Komm, wenn du dich entschieden hast.«
    Ich sah ihm nach, bis die graue Tür des
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